Im hintersten Teil des Grazer Künstlerhaus sind Besucher eingeladen, den Baseball-Schläger in die Hand zu nehmen. Ziel ist aber nicht die Puppe, deren Kostüm verdächtig an die Adjustierung erinnert, die man von den gestrigen Wehrsportübungen des heutigen Vizekanzlers kennt. Vielmehr soll man gegen die an Ketten hängenden Ausgaben des Verfassungsgesetzes prügeln, um damit der Figur ins Gesicht zu fahren: mit der Macht der Zivilisation, des Gesellschaftsvertrags und der dort festgeschriebenen Gleichberechtigung aller Bürger.
Allein das macht deutlich, dass Jan Böhmermanns satirische Provokationen nicht am linken Rand, sondern tief in der Mitte der Gesellschaft wurzeln. Der Sohn einer Polizistenfamilie glaubt an Recht und Ordnung. Und an Prinzipien. Als Böhmermann in Graz gefragt wird, ob er sich mit Identitären-Chef Martin Sellner auf ein Podium setzten würde, explodiert er fast: "Was ist das für eine Frage? Natürlich nicht! Man diskutiert nicht mit Faschisten! Die haben ihre Vorstellungen schon einmal in Realpolitik umgesetzt. Faschistische Ideologie ist keine Meinung."
Böhmerman glaubt, dass Österreich politisch zwei Schritte vor Deutschland stehe: "In Deutschland kämpft man darum, dass Faschismus nicht salonfähig wird. In Österreich ist es nicht mehr salonfähig, sich nicht mit FPÖ-Funktionären an den Tisch zu setzen." Der Satiriker warnt vor der Normalisierung extremer Zustände: "Sie ist so gefährlich, weil man sie nicht spürt." Und irgendwann werde die Unmenschlichkeit zur Normalität.
Bizarr fühlt sich Unmenschlichkeit an, schlendert man durch die von Böhmermann und seiner bildundtonfabrik kreierte Ausstellung, von der Teile 2017 in Düsseldorf zu sehen waren. Es sind bitterböse Objekte, die mit Tabus spielen, ein Messestand für einen NS-Themenpark, der mit den Mitteln modernen Marketings wirbt, ein Bett aus Eiern als "Schlafstatt für den kritischen Künstler", ein Automat mit "Hetzkeksen", statt Glückskeksen. Ein Nadeldrucker wirft auf Endlospapierbeharrlich Politiker-Tweets aus. Am Ende werden Papierberge gepresst und mit rot-weiß-roter Banderole versehen.
Der digitale Raum als Kampfplatz
Der digitale Raum sei immer noch unterschätzt, meint Böhmermann. Da spiele jenen in die Hände, die "Gefühlsknöpfe" drücken würden. Die Überführung von digitalen Räumen in den Ausstellungskontext sorgt auch für die formale Spannung der Schau, deren Objekte mitunter recht plump wirken würden, mäße man sie an der komplexen Ästhetik aktueller Installationskunst. Das sollte man nicht, ihre Stärken liegen eindeutig woanders. Böhmermann: "Das Interessante entsteht ja dann, wenn das Publikum auf die Objekte trifft."
Der Mann, der die Grenze zwischen Satire und politischen Aktivismus aufgelöst hat, dessen Aussagen auch beim Pressegespräch zwischen Information und Satire oszillieren, bespielt seine Nische virtuos. Auch dass ihn der schützende Mantel der künstlerischen Freiheit umhüllt, setzt er bewusst ein. Das ist der (einzige) strategische Vorteil des Satirikers gegenüber dem Politiker. Ein Politiker, so Böhmermann, dürfe sich nicht als Satiriker gerieren, weil er nun einmal kein Künstler sei. Satire und Macht passen nicht zueinander. Und biegt nach der profunden Analyse schnell wieder zum Scherz ab: "Vom Neo-Nazi zum Sportminister, das geht nur in einem Land mit beschränkter Personalauswahl." Und: "In Österreich ist es normal, dass ein 32-jähriger Versicherungsvertreter, der nix kann, Kanzler ist."
Alle Details zur Ausstellung in Graz finden Sie hier.