Es ist, merkt die Albertina stolz an, die erste große Claude-Monet-Ausstellung seit über 20 Jahren in Österreich. Dennoch hat die Schau, die mit 100 Gemälden Leben und Werk des französischen Impressionisten nachzeichnet, ein Problem: Monet scheint, ähnlich wie die "Wien um 1900"-Meister, in unseren Köpfen allzu präsent.
In ihrem "Schlusswort" gelingt es der Schau dennoch, zu beeindrucken. Die von Heinz Widauer kuratierte Ausstellung, die am Donnerstagabend eröffnet wird, geht streng chronologisch vor. Bereits im ersten Saal hängen zwei Gemälde nebeneinander, an deren Gegensatz die von Monet mitinitiierte Revolution in der Kunstgeschichte manifest werden soll: Der 1867 gemalte und aus Den Haag geliehene "Quai du Louvre" zeigt in realistischen Details das eben in städtebaulicher Umgestaltung befindliche Paris, der sechs Jahre später gemalte "Boulevard des Capucines" dagegen, aus dem Moskauer Puschkin Museum nach Wien gekommen, war in seiner Skizzenhaftigkeit und Flüchtigkeit ein Hohn für all' jene, die genau erkennen wollten, was da gemalt wurde. Das Gemälde ist eine Orgie aus Licht, Fläche und Unschärfe.
Ein Jahr später wurde nach einer Ausstellung im Atelier des Fotografen Nadar aufgrund des Titels eines Gemäldes der Gruppenname geboren: "Impression, soleil levant". Diese Ikone der Kunst wird vom Musée Marmottan nicht verliehen - mit über 40 anderen Gemälden ist das Pariser Museum dennoch der bedeutendste Partner dieser Ausstellung. "Die Welt im Fluss" nennt die Albertina ihre bis 6. Jänner 2019 laufende Schau, für die über 40 weitere internationale Museen und Privatsammlungen Leihgaben zur Verfügung gestellt haben.
Um die bewegte Welt geht es Monet (1840-1926) allerdings nicht. "Er ist ein Maler, der den großen Ereignissen den Rücken zukehrt und sich nur der Natur zuwendet", erklärte Albertina-Generaldirektor Klaus Albrecht Schröder vorab. Seine privaten Krisen in den Lebensjahrzehnten vor seinem Durchbruch lassen sich nur im steten Wechsel der Wohnsitze nachvollziehen, wo er vor seinen Gläubigern Unterschlupf suchte. Auch im einsam gelegenen Giverny mietete er zunächst nur ein kleines Presshaus an, ehe er die Anlage aus Ateliers und Gärten zur heute wieder rekonstruierten und von jährlich über 600.000 Menschen besuchten Pilgerstätte ausbaute.
Der Titel der mit blauem Teppichboden ausgelegten Schau könne aber auch anders interpretiert werden, meint Schröder: "Sie können fast die gesamte Ausstellung an einem Wasser entlang ziehen." In Vetheuil sei die Seine auf den Gemälden sogar dann präsent, wenn sie bewusst nicht gezeigt werde. In zahlreichen Winterbildern beweist Monet, wie differenziert sich Schnee darstellen lässt. "Monet wird DER Schneemaler schlechthin", schwärmte der Museumschef.
Nach einem Saal, in dem man den steilen Felsklippen der Normandie begegnet, wendet man sich dem immer weniger reiselustig werdenden Künstler zu, der zu ein und demselben Motiv zurückkehrt, um es unter verschiedenen Lichtstimmungen festzuhalten. Die Gemälde-Serien einer Flusswindung der Creuse, des britischen Parlaments oder der Kathedrale von Rouen, in der bei den Farbdarstellungen "die Eigenmächtigkeit der Mittel Autonomie gewinnt" (Schröder) zählen zu den Höhepunkten der Ausstellung, die kaum Überraschungen zu bieten hat.
Am Ende gibt es doch noch einen eindrucksvollen Schlussakkord: Nach ein paar Beispielen der weltbekannten Seerosenbilder (darunter eines aus der Sammlung Batliner) folgen einige Gemälde der Rosenallee oder der japanischen Brücke, die der über 80-jährige und an Grauem Star leidende Maler fast blind gemalt hatte. Die Farben werden dunkel, düster, herbstlich, die Flächen zunehmend durch Linien ersetzt. Der Zusammenhang löst sich auf. "Vergleichbar mit dem Spätwerk des tauben Beethoven", seien diese erst lange nach Monets Tod bekannt gewordenen Bilder, sagte Schröder. Sie weisen deutlich in die nächste Epoche der Kunstgeschichte, in den abstrakten Expressionismus eines Jackson Pollock, Mark Rothko, Barnett Newman oder einer Joan Mitchell.