Man könnte gleich zu Beginn das Phrasenschwein aufmarschieren lassen: Bilder sagen eben mehr als Worte. Aber folgender Dialog aus dem Banksy-Film „Exit through the Gift Shop“, umreißt das Grundproblem wohl besser. Polizist, empört: „Das sind Graffiti“. Street-Artist, noch empörter: „Das ist Kunst!“ Und damit fängt die Grunddebatte an.
Wenn der Mensch Kunst meint, erwartet er – symbolisch gesehen – gerne einen Rahmen dazu. Das kann ein Museum sein, eine Galerie, zumindest ein Hinweisschild wäre nett. Was bei Leonardo da Vinci oder Damien Hirst kein allzu großes Problem darstellt, ist das bei Street Art eine Grundsatzfrage. Wobei es nicht ganz stimmt, dass Street Art keinen Rahmen hätte, in vielen Ländern gibt es dafür zumindest einen Strafrahmen. Stichwort: Vandalismus. Nachdem vor dem Gesetz bekanntlich alle gleich sind, gilt das für Street-Art-Anfänger genauso wie für Banksy selbst, der seine Karriere vor 25 Jahren in Bristol begonnen hat. Klassisch mit Graffitis an Hauswänden und Zügen. Die latente Gefahr erwischt zu werden, hat ihn zur Schablonenkunst gebracht. Die Vorbereitungen werden im Atelier gemacht, vor Ort wird nur gesprayt. So auch letzte Woche in Paris.
Banksys Kunst ist plakativ: Das Schöne ist seine Sache nicht, vielmehr ist er ein Robin Hood mit Spraydose. Seine Bilder sind Kritik an Politik, Gesellschaft, Kapitalismus, so gesehen malt er tatsächlich hin und wieder den Teufel an die Wand. In Paris gilt seine Kritik – nicht zum ersten Mal – der Asylpolitik. Das zentrale Werk dazu findet sich auf einer Mauer nahe eines ehemaligen Aufnahmezentrums für Flüchtlinge und zeigt ein dunkelhäutiges Mädchen, das ein Hakenkreuz übersprüht. Erst Tage nachdem die Bilder entstanden sind, hat Banksy selbst ihre Echtheit auf Instagram (@banksy) bestätigt und gerade dieses Bild in den richtigen Kontext gesetzt: Das Graffito befindet sich direkt neben einer Suppenküche für Migranten. Auch so kann plakative Politik aussehen.
Schnelligkeit ist die große Stärke von Street Art: Reagieren, im Hier und Jetzt, frei gespielt von den oft hohen Hürden des Kunstbetriebs. Die Leinwand? Die Mauer. Das Museum? Die Stadt. Das Archiv? Das Internet. Und es ist eine junge Kunst, nicht zuletzt, weil das Spielfeld beinahe grenzenlos ist – wie das Internet selbst. Auftauchen, Botschaft hinterlassen, abtauchen. Das gilt auch für Banksy selbst. Noch immer ist die Identität des Briten unklar, obwohl er temporäre Freizeitparks baut, Hotelbesitzer im Westjordanland ist und die Welt mit seinen Bildern in wohlige Aufregung versetzt. Ist es Robert Del Naja von der Band Massive Attack, wie gerne behauptet wird? Möglich, aber wer will das schon wissen? Vermutlich ohnehin nur der Sheriff von Nottingham.