Das Kultur-Kapitel des Regierungsprogramms der neuen ÖVP-FPÖ-Koalition beurteilen viele Kulturschaffende wie Filmmuseums-Chef Michael Loebenstein zunächst abwartend und verweisen auf die konkrete Umsetzung. Unterstützung kommt indes von einstigen Granden wie Wilfried Seipel oder Peter Marboe.
Einer der konkreten Punkte im Kulturkapitel ist der Satz "Bekenntnis zur Errichtung eines Analogen Film-Preservation-Centers [...]". Dieses Vorhaben hätte ursprünglich noch heuer am Filmarchiv-Standort in Laxenburg realisiert werden sollen, ist bis dato in der Diskussion zwischen den verschiedenen Beteiligten, zu denen auch das Filmmuseum gehören soll, zerrieben worden. Dessen neuem Direktor Michael Loebenstein ist allerdings noch unklar, was mit der Formulierung genau gemeint ist: "Keine Ahnung, was dieses Bekenntnis konkret bedeutet." Noch sei niemand auf sein Haus zugekommen. In jedem Falle freue er sich über die grundsätzliche Erwähnung. Ansonsten könne man angesichts der kursorischen Ausführungen zum jetzigen Zeitpunkt noch wenig zum allgemeinen Kunst- und Kulturprogramm sagen: "Es steht vieles drin, was im internationalen Bereich Common Sense ist", so Loebenstein gegenüber der APA. Er sei allerdings skeptisch gegenüber einem Programm, das glaube, im Kulturbereich mit mehr Transparenz Dopplungen zu verhindern und Einsparungen zu erreichen: "Da ist jeder Stein schon zweimal umgedreht worden." Grundsätzlich stecke der Teufel im Detail der geplanten Strukturmaßnahmen. Im Bezug auf die dynamische und facettenreiche Filmproduktion im kleinen Ökosystem Österreich gelte es, dafür zu sorgen, dass die verschiedenen Komponenten nahtlos ineinandergreifen: "Was ich mir von der Regierung wünschen würde: Sich mit allen Beteiligten zusammensetzen und herausarbeiten, wie man Nachhaltigkeit und Tragfähigkeit verankern kann."
Der ehemalige KHM-Direktor Wilfried Seipel hat in Bezug auf das Kulturprogramm ganz konkret die "Hoffnung, dass bestimmte Ansätze, die in der früheren Regierung getätigt wurden - wie das berühmt-berüchtigte Weißbuch für die Bundesmuseen - nicht zur Umsetzung kommt, weil das nicht nur ich, sondern auch meine früheren Kollegen in den Bundesmuseen als einen gewaltigen Rückschritt in der Entwicklung der Bundesmuseen und ihrer Autonomie ansehen müssten", wie er im Gespräch mit der APA sagt. Das Bundesmuseengesetz von 1998 habe einen neuen Weg der Selbstständigkeit der Bundesmuseen beschritten, die auch zu positiven Entwicklungen geführt habe. In Deutschland habe man damals vom "Museumswunder Wien" gesprochen. "Seit der früheren Ministerin Claudia Schmied (SPÖ, Anm.) gab es jedoch eine immer stärkere Zentralisierung in das Ministerium, sodass heute im Weißbuch vorgesehen ist, dass wir wieder zu nachgeordneten Dienststellen des Bundes werden würden. Das kann nicht im Interesse einer offenen Museums- und Kulturlandschaft sein", so Seipel, der in der geplanten Aufgabe des Gießkannenprinzips "sicher Vorteile" ortet. "Ich würde einmal sagen: Lassen wir sie einmal arbeiten und seien wir optimistisch und versuchen nicht von vornherein, alles negativ zu sehen."
Mehr Kompetenzen
Der ehemalige Wiener Kulturstadtrat Peter Marboe (ÖVP) hält die Kulturagenden bei Kanzleramtsminister Gernot Blümel in "guten Händen", wie er im APA-Gespräch sagte. Da dieser viel Erfahrung in der Kommunalpolitik habe, "wo sich im Wesentlichen ja auch ein großer Teil der Kulturpolitik abspielt", werde er diese auch im Ministerium einbringen. Erfreut zeigte sich Marboe, dass sich die Kultur anders als bei der früheren Auflage von Schwarz-Blau diesmal in einem Ministerium und nicht wie damals in einem Staatssekretariat wiederfinde. "Das freut mich, weil das tatsächlich mit mehr Kompetenzen wie etwa einem Vetorecht verbunden ist. Und Gernot Blümel weiß, wie er mit so großen kulturpolitischen Fragen umgehen wird." Österreich sei ein Kulturland und eine Regierung, "die das vernachlässigen würde, würde sicher nicht sehr gut ankommen. Daher freue ich mich auf mehr Diskurs auf beiden Seiten." Bezogen auf geplante Evaluierungen im Kunstbereich meint Marboe: "Ich glaube, dass Kunst und Kultur immer ein Risiko sind. Daher muss man auch bei den Förderungen das Risiko nicht scheuen. Dieser grundsätzliche Weg, dass alles immer nur auf sicher zu gehen hat, den habe ich immer infrage gestellt."
In der italienischen Tageszeitung "La Repubblica" kritisiert Autor Doron Rabinovici angesichts der neuen ÖVP-FPÖ-Koalition den Rechtsruck in Österreich. "Auch in Österreich, dem wohlhabenden Herz Mitteleuropas, ist Rassismus ein Luxus geworden, den man sich gönnen will", meint der in Tel Aviv geborene Rabinovici am Montag. So betrachte er etwa die Entscheidung, die Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft für Südtiroler ins Regierungsprogramm aufzunehmen, mit Sorge: "Das Prinzip der doppelten Staatsbürgerschaft ist legitim, doch die FPÖ verwehrt sie den Türken und bietet sie den Südtirolern in einem Geist des historischen Revisionismus, nicht der Offenheit, an."
Naturgemäß kritisch sieht via Aussendung auch Wiens SPÖ-Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny das Konvolut, das sich wie das Drehbuch zu einem schlechten Film lese und gerade im Kapitel Kultur nichts Neues bringe, sondern nur Altes aufwärme: "Ermutigungen, Ermächtigungen, Mut zum Widerspruch und Offenheit fehlen völlig. [...] Nationalismus, Provinzialismus, Isolationismus und das 'Schmoren im eigenen Saft' sind das genaue Gegenteil von Weltoffenheit. Dadurch werden auch das friedliche Zusammenleben und die Vielfalt anderer Kulturen gefährdet und abgewertet." Er befürchte das Aushungern eines breit gefächerten Kulturlebens zulasten der freien Kunstschaffenden.