Nicht nur im Auktionssaal von Christies' jubelte man, als der Hammer für "Salvator Mundi" von Leonardo da Vinci bei 450 Millionen Dollar fiel. Der Weltrekord für die Versteigerung eines Kunstwerks hat den gesamten Kunstmarkt elektrisiert - und die Folgen sind weltweit zu spüren. Keine Rede mehr von "Götterdämmerung" oder allgemeiner Verunsicherung des internationalen Kunstmarkts wie noch 2016.
Besonders für Christie's war es ein außergewöhnliches Jahr. Allein sieben der zehn höchsten Auktionserlöse verbuchte das Traditionshaus. Kleiner Trost für Konkurrent Sotheby's: Er versteigerte immerhin das zweitteuerste Gemälde des Jahres, ein Werk von US-Künstler Jean-Michel Basquiat (1960-1988), für 110 Millionen Dollar. Im Mai war das noch eine Riesensensation. Seit "Salvator Mundi" könnte man die Summe fast schon bescheiden nennen.
"Der amerikanische Markt ist in einem wundervollen Zustand", schwärmt Christie's-Chef Jussi Pylkkanen dann auch gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. "Die Menschen wollen einfach frische Sachen sehen, nicht solche, die in den vergangenen zehn Jahren schon dreimal verkauft worden sind." Der Markt ist gut kalibriert, hat eine gute Energie und ist auch endlich wahrhaft globalisiert."
Voller Optimismus ist auch der Europa-Chef von Sotheby's, Philipp Herzog von Württemberg: 2017 sei für das gesamte Auktionsgeschäft wieder sehr gut gelaufen. Bei den Sotheby's-Auktionen in New York im November wurde bei Impressionisten, Moderne und Zeitgenössischer Kunst der Umsatz um 12 Prozent im Vorjahresvergleich gesteigert. "Wir sind absolut optimistisch für 2018", sagt Württemberg. "Der Markt ist einfach fabelhaft gut." Es gebe eine Masse an Käufern - "das lässt die Preise in die Höhe schießen". Die Käuferschicht aber habe sich radikal geändert. "Asien machte vor ein paar Jahren noch 8 bis 10 Prozent aus und hat sich jetzt auf 30 bis 40 Prozent gesteigert."
Natürlich schmerzt es Sotheby's, dass "Salvator Mundi" bei Christie's unter den Hammer kam. Der gute Verkauf sei aber für den ganzen Markt positiv. Württembergs Prognose: "In spätestens 10 Jahren werden wir ein Bild für eine Milliarde sehen - wenn es so einzigartig ist wie ein Leonardo da Vinci."
Auch die deutschen Auktionshäuser spüren den Da Vinci-Effekt - "und zwar an allererster Stelle als Vertrauensbeweis", sagt der Münchner Auktionshauschef Robert Ketterer. Der Rekord bedeute "weltweit eine extreme Aufmerksamkeit" für die Kunst und den Markt. "Auch wir spüren ein deutlich gesteigertes Interesse an unseren aktuellen Hauptauktionen." Auch in Europa hat sich der Markt laut Ketterer im Vergleich zu 2016 "deutlich stabilisiert". Weniger Angebot, aber steigender Umsatz, heißt es in München. "Wir sind am stärksten im Bereich zwischen 50.000 Euro und einer Million."
Warnung vor zu hohen Preiserwartungen
Trotz aller Rekordpreise warnen die Auktionshäuser vor zu hohen Preiserwartungen der Einlieferer. "Die Schwankungen auf den einzelnen Künstler werden extremer", sagt Markus Eisenbeis, Inhaber des Kölner Auktionshauses Van Ham. "Es geht schneller rauf und auch schneller wieder runter." Das Käuferinteresse fokussiere sich immer mehr auf das 20. und 21. Jahrhundert, besonders auf Kunst nach 1960. Die Rekordversteigerung des "Salvator Mundi" sieht auch Eisenbeis als ein "positives Signal" für den Kunstmarkt. Der Verkauf "setzt ein gewisses Grundvertrauen in den Markt voraus."
Für Hans Neuendorf, Gründer des Internetdienstleisters Artnet, ist das 450 Millionen-Dollar-Bild nichts anderes als eine Trophäe. "In dem Zusammenhang spielt es kein Rolle, ob das Bild echt ist oder überarbeitet", sagt er. "An der obersten Spitze des Marktes geht es ja nur um Trophäen. Da geht es gar nicht um Kunst."
Der Markt wachse, immer mehr Leute und Länder wie vor allem China, würden hineingezogen. Es gebe eine enorme Zahl an Kunstmessen und Galerien. Neuendorf: "Wenn heute jemand vermögend ist, kann er es sich nicht mehr leisten zu sagen, er sei an Kunst nicht interessiert."
Von Dorothea Hülsmeier/dpa