Von Frankfurt zog es ihn weder zurück nach Wien, wo er seit langem für höchste Museumsposten gehandelt wird, noch nach New York, wo er an einem der führenden Museen der Welt, dem Guggenheim, seine Karriere begann: Max Hollein nahm im Vorjahr eine Berufung an die "Fine Arts Museums of San Francisco" an. Seither sorge er dort für Veränderung und Gesprächsstoff, schilderte er im Gespräch mit der Austria Presse Agentur.
APA: Herr Hollein, wie geht es Ihnen nach etwas mehr als einem Jahr als Museumsdirektor in San Francisco?
Max Hollein: Gut, danke. Ein neues Abenteuer hat begonnen. Es ist hier sehr aufregend - aber auch sehr entfernt von vielem anderen. San Francisco orientiert sich ja stark am pazifischen Raum. Verglichen mit New York ist es also ein ganz anderer Kulturkreis, aber genau das wollte ich ja nach 15 Jahren in Frankfurt. Ich glaube, dass San Francisco derzeit eine der aufregendsten Metropolen der westlichen Welt ist. Das hat natürlich auch mit dem Silicon Valley und der Tech Industry zu tun. Man spürt die Erwartung, die Welt von hier aus neu zu definieren und zu verändern.
APA: Wir war Ihre Aufnahme?
Hollein: Die Fine Arts Museen San Francisco sind ja die größte und populärste Museumseinrichtung an der Westküste. Die Museen waren aber in den letzten Jahren ohne Führung, da gab es alle möglichen Probleme. Es war ganz klar meine Aufgabe, das Ganze umgehend zu verbessern. Es war also am Anfang vor allem auch eine Managementaufgabe. Aber ich bin auch angetreten mit der Ansage, dass wir das Programm von Grund auf erneuern und deutlich ambitionierter machen. Das sorgt auch für starken Gesprächsstoff. Wir haben neue Besucherrekorde aufgestellt, auf der anderen Seite gab es große Aufregung über zeitgenössische Interventionen von Sarah Lucas und Urs Fischer, die ich gemacht habe. Die Leute merken, dass das große Flaggschiff jetzt stark Segel setzt. Es gibt noch eine große Veränderung: Im letzten Jahr hat das SFMOMA, das Museum für zeitgenössische Kunst, eine umfassende Erweiterung eröffnet. Das sorgt für noch mehr Ambition an diesem kulturellen Standort. Aber natürlich auch für eine gewisse Konkurrenz.
APA: Sie haben ein sehr vielfältiges Programm: prononciert Zeitgenössisches wie Julian Schnabel, Themenausstellungen wie "Summer of Love", aber auch Klassischeres wie jetzt "Klimt & Rodin".
Hollein: Das ist aber kein Mischmasch oder Potpourri, sondern ganz bewusst gesetzt. Das spiegelt zwei unterschiedliche Identitäten von zwei unterschiedlichen Museen wieder: Das eine ist die Legion of Honor, die quasi ein Abbild einer klassischen europäischen Gemäldegalerie oder eines Museums ist, mit einer großen Altmeistersammlung und einer großen 19. Jahrhundert-Sammlung. Da programmieren wir die großen, die Kunst feiernden Ausstellungen. Dort zeigen wir "Klimt & Rodin", später dann eine große Rubens-Ausstellung, die Präraffaeliten, die Hochrenaissance und Ähnliches. Im de Young Museum mit seiner eklektischen Sammlung, sprich: Afrika, Ozeanien, Native America, Glas und Keramik, Kostüme und Textilien, zeigen wir dagegen mehr Ausstellungen, die Kultur reflektieren, eben "Summer of Love" etwa. Dort werden wir auch eine Ausstellung zu "Fashion of Islam" zeigen.
APA: Andererseits besteht offenbar auch ein großer Nachholbedarf, wenn "Klimt & Rodin" die erste große Klimt-Schau an der Westküste ist.
Hollein: Ja, absolut. Es gibt hier zwar auch Klimt-Zeichnungen in Privatsammlungen, aber es gibt an der ganzen Westküste keinen einzigen wichtigen Klimt. Einerseits wollte ich schon als Wiener etwas zeigen, das mit mir verbunden ist, andererseits ging es pragmatisch um die Frage, was man schnell realisieren kann, nachdem ich vieles, was geplant war, gecancelt habe. Tobias Natter und ich haben miteinander gesprochen und gesagt: die beiden Todestage von Klimt und Rodin öffnen für kurze Zeit ein window of opportunity, ehe Klimt im nächsten Jahr in Wien in aller Breite gefeiert wird. Ohne meine Verbindungen nach Wien und anderswo wäre das in der Kürze vermutlich nicht zu realisieren gewesen. Ich bin ja auch im Aufsichtsrat der Nationalgalerie in Prag oder am Board of Trustees der Neuen Galerie in New York. Insofern hat es eine sehr persönliche Note.
APA: Diese starke Verbundenheit mit Wien - hat sich die auch darin niedergeschlagen, dass Sie in Bezug auf die Neubesetzung im Kunsthistorischen Museum ganz oben auf der Telefonliste von Kulturminister Thomas Drozda standen?
Hollein: Ich habe sofort klar zum Ausdruck gebracht, dass ich derzeit leider nicht zur Verfügung stehe. Ich bin gerade erst nach San Francisco gegangen und sehe hier meine Aufgaben. Ich hatte auch keine Hintergrundrolle dabei.
APA: In Österreich stehen die Wahlen vor der Türe. Manche fürchten, dass es auch kulturpolitisch zu großen Veränderungen kommen könnte.
Hollein: Da sieht man die Vor- und Nachteile der zwei unterschiedlichen Systeme. Als ich in die USA gegangen bin und Trump gewählt wurde, haben mich viele gefragt, welchen Einfluss das auf uns hat. Für uns als Institution hat es aber überhaupt keinen Einfluss. In Europa ist dagegen die Kulturpolitik klar geprägt davon, welche Partei an der Regierung ist. Natürlich wird ein Regierungswechsel zu neuen Akzenten führen - das kann positiv oder negativ sein. Da haben amerikanische Institutionen sicher eine längere Kontinuität in ihrer strategischen Ausrichtung.
ZUR PERSON: Der Wiener Max Hollein (48), Sohn des 2014 verstorbenen Stararchitekten Hans Hollein, hat eine faszinierende Karriere als Museumsmanager hinter sich. Nach einem Betriebswirtschafts- und Kunstgeschichts-Studium arbeitete er für das Guggenheim Museum und übernahm 2001 die Schirn Kunsthalle in Frankfurt am Main, wo er ab 2006 auch das Städel Museum und der Liebieghaus Skulpturensammlung leitete. Er war Kommissär des Österreich-Pavillons der Biennale di Venezia 2005 sowie Kurator des Salzburger Avantgardefestivals "kontra.com" anlässlich des Mozart-Jahres 2006. Seit Juni 2016 ist er Direktor der "Fine Arts Museums of San Francisco" (FAMSF), die mit ihren beiden Standorten, dem de Young Museum im Golden Gate Park und der Legion of Honor im Lincoln Park, jährlich über 1,7 Millionen Besucher anziehen.
Wolfgang Huber-Lang/APA