Über dem edlen Schreibtisch mit goldenen Verzierungen im Büro des Uffizien-Direktors Eike Schmidt thront ein großes Gemälde in dunklen Tönen aus dem Jahr 1912. Abgebildet sind vier verstorbene Uffizien-Leiter, die mit ernster Miene den Raum überblicken. "Sie schauen mir streng über die Schulter und kontrollieren mich", scherzt Schmidt.
Der Freiburger, der ab der zweiten Hälfte 2019 zum Nachfolger von Sabine Haag an der Spitze des Kunsthistorischen Museums Wien (KHM) aufrückt, hat in Florenz alle Hände voll zu tun. Neue Ausstellungen sind in den Uffizien geplant, das digitale Konzept für das legendäre Museum muss vorangetrieben werden, die Restaurierung der Boboli-Gärten hat soeben begonnen. Zugleich will sich der 49-jährige Kunsthistoriker auch Zeit nehmen, öfters nach Wien zu reisen, um einen genauen Einblick in die Realität des KHM zu erlangen.
"Alles ist relativ schnell gegangen", erzählt Schmidt im Gespräch mit der Austria Presse Agentur. "Im Sommer bin ich von Wien aus kontaktiert worden. Für mich war es natürlich gerade kein günstiger Moment, da ich inmitten meines Mandats in Florenz bin. Ich dachte jedoch, diese einmalige Gelegenheit darf ich nicht versäumen. So eine Chance kommt nur einmal."
Aufregung in Florenz
Der Eklat nach der Ankündigung seines Wechsels zum KHM hat Schmidt überrascht. "Ich finde es lustig: Ausgerechnet diejenigen, die vor zwei Jahren laut protestiert haben, weil ein Nicht-Italiener die Uffizien-Führung übernimmt, sind diejenigen, die jetzt von Skandal sprechen, weil ich 2019 wieder weggehe! Andererseits ist es auch schmeichelhaft: Viele Florentiner halten mich auf der Straße auf und sagen mir, ich solle es mir doch noch überlegen und nicht weggehen", lächelt Schmidt, dessen Vertrag mit den Uffizien vier Jahre läuft und um ein zweites Mandat hätte verlängert werden können.
An der ersten Museumsreform der Uffizien seit der Zeit des Großherzogs Peter Leopold 1769 mitzuwirken, betrachtet Schmidt als Privileg. Der Kampf gegen veraltete Strukturen und überbordende Bürokratie erschrecken ihn nicht. Im Gegenteil: "Das ist die Herausforderung, die mich nach Florenz geführt hat. Natürlich ist Bürokratie frustrierend und lästig. In zwei Jahren Arbeit haben wir jedoch eine Menge geschafft. In vielen Bereichen sind die Resultate schon sichtbar, in anderen wird mein Nachfolger die Früchte ernten."
Modernisierung eingeleitet
Seit seiner Ankunft in Florenz hat Schmidt die Uffizien in die mediale Gegenwart geführt, auf Rationalisierung der verschiedenen Museumsbereiche und auf effizientere Planung gesetzt. Warteschlangen gibt es vor den Uffizien-Eingängen zwar immer noch, die Lage hat sich aber deutlich verbessert. Das Ticket-System ist vereinfacht worden. Die Säle wurden umgestaltet, um Besuchern einen besseren Zugang zu Meisterwerken wie jenen von Botticelli zu ermöglichen. "Dank eines völlig transparenten Panzerglases modernster Technologie kann das Publikum die Botticelli-Venus ganz aus der Nähe bewundern. Wir wollen den Anwesenden ein perfektes Kunsterlebnis bieten", so der Uffizien-Direktor. Unter seiner Führung haben die Uffizien 2016 erstmals die Rekordzahl von zwei Millionen Besuchern überschritten, 2017 wird mit einem weiteren Anstieg gerechnet.
Mit Recht stolz ist Schmidt, dass er den zum Uffizien-Komplex gehörenden Palazzo Pitti der Mode, dem Theater und der Musik geöffnet hat. Große Modeschauen finden wieder im Palast statt. Das Modehaus Gucci entschloss sich nach einem Defilee im Palazzo, zwei Millionen Euro für die Renovierung der zu den Uffizien gehörenden Boboli-Gärten zu spenden. "Es sind die bedeutendsten Gärten der Welt. Im Gegensatz zum Park in Versailles sind sie nicht nur in einer einzigen Epoche entstanden, sondern umfassen verschiedene Zeitalter", meint der Kunsthistoriker, der zuvor in den USA unter anderem an der National Gallery of Art in Washington, am Getty Museum in Los Angeles und am Minneapolis Institute of Arts gearbeitet hat. Privatem Sponsoring gegenüber ist Schmidt aufgeschlossen.
Fehlende Anerkennung für das KHM
Nun will Schmidt seine Erfahrung mit den legendären Uffizien in den Dienst des Kunsthistorischen Museums stellen. "Das KHM ist eines der wichtigsten Museen der Welt, es ist aber noch nicht dort, wo es angesichts des Wertes seiner Sammlungen und seiner Rolle als Forschungsmuseum wirklich sein sollte. Es hat auf internationaler Ebene nicht den Bekanntheitsgrad der Uffizien oder der Vatikanischen Museen. Das KHM soll die internationale Anerkennung erlangen, die es verdient. Das ist für Wien und für ganz Europa wichtig", meint Eike Schmidt.
Die Zeit bis zu seinem Amtsantritt werde er nutzen, um die Realität des KHM genauer kennenzulernen, dafür plane er demnächst Reisen nach Wien. An einem speziellen Programm für sein Mandat arbeite er derzeit noch nicht. "Ein Plan muss zusammen mit dem Aufsichtsrat des Museums und dem Ministerium entwickelt werden. Es wäre falsch, schon jetzt mit einem Zehn-Punkte-Programm anzukommen", meint Schmidt.
Lorbeeren für Sabine Haag
Die Nachfolge Sabine Haags anzutreten, sei für ihn eine "Herausforderung". "Ich kenne Sabine Haag seit meiner Studienzeit in den 90-Jahren und schätze sie sehr." erinnert sich der 49-Jährige. "Beide haben wir eine Promotion über Elfenbeinskulpturen eingereicht und haben auch bei der Wanderausstellung mit Meisterwerken aus den ehemaligen Habsburgischen Sammlungen 2015 in Minneapolis zusammengearbeitet. Ich bewundere ihre Arbeit in Wien sehr." Während in Italien die Museumsreform erst eingeleitet werden könne, steige er im KHM bereits in einen "fahrenden Zug", sagt Schmidt.
Pläne für Großprojekte wie die Unterkellerung des Maria-Theresien-Platzes oder einen Tunnel unter dem Ring verfolgt Eike Schmidt nur aus der Ferne. "Es hat derzeit wenig Sinn, über Bauprojekte zu philosophieren. Grundlegend ist, dass sich solche Vorhaben nahtlos in eine übergreifende, besucherorientierte Strategie einfügen und parallel auch ein Finanzierungsplan entwickelt wird", betont Schmidt.
Er freut sich auf Wien
Auf den Wechsel nach Wien freut er sich sehr. "Ich kenne die Stadt aus den Jahren als Schüler und Student gut und habe oft Urlaub in Österreich gemacht. Wien ist eine Kulturhauptstadt, die auch dank seiner Brückenfunktion in Richtung Osteuropa viel zu bieten hat", so Schmidt. Die Kontakte zu Italien werde er aufrechterhalten. Schließlich stamme seine Frau ja aus Mantua. "In Florenz habe ich außerdem einen Neffen, der hier studiert. Der Kontakt zu Florenz wird also keinesfalls abreißen", versichert Schmidt.
Micaela Taroni/APA