Wikinger-Abenteuer auf dem Grasdach, Installationen am Wasser und Musik im Matsch: Vieles, das Aarhus 2017 ausmacht, spielt sich an der frischen Luft ab. Das spiegelt die Gelassenheit der Studentenstadt wider. Und macht die Kulturhauptstadt schon zur Halbzeit zum Erfolg.
Dieser Anblick kann dem unwissenden Spaziergänger an der Küstenpromenade von Aarhus einen Schreck einjagen: Ein Lkw-Ladekran hat gerade scheinbar einen VW Golf aus der Bucht gefischt. Aus dem weißen Wagen, der an vier Schläuchen an dem Kran hängt, läuft unaufhörlich Meerwasser. Kann das sein? Zum Glück sind Passanten hier nicht Zeugen eines Unglücks, sondern haben es mit einer Installation zweier finnischer Künstler zu tun. Sie ist Teil eines der ehrgeizigsten Projekte von Aarhus 2017, der Triennale "The Garden". Auch dank ihr haben sich wohl die meisten der 330.000 Einwohner von Aarhus in ihre Kulturhauptstadt verliebt.
Nach einem halben Jahr seien eine Million Tickets für die unzähligen Ausstellungen, Konzerte, Theaterstücke und Co. verkauft, erzählt Kommunikationschef Bent Sorensen. "Besucher haben wir aber viel mehr gehabt", meint er. Denn zwei von drei Events der Kulturhauptstadt sind gratis - und viele unter freiem Himmel.
Ballonförmiger Pavillon
Wie ein großer Teil von "The Garden". Die Schau führt den Betrachter fast fünf Kilometer am Wasser entlang, vorbei etwa an einem abends beleuchteten ballonförmigen Pavillon der Bjarke Ingels Group und dem umstrittenen Werk einer deutschen Künstlerin. Die Düsseldorferin Katharina Grosse hat Teile eines Parks und des Wegs bis hinunter zum Wasser mit Acrylfarbe besprüht. Der Anblick von Gras und Bäumen in Pink und Weiß hatte Tausende Aarhusianer erzürnt. "Es ist gut, dass eine Debatte entsteht", sagt Erlend Hoyersten, Direktor des Kunstmuseums Aros, das die Triennale ins Leben gerufen hat.
"Viele Werke sind eine Weltpremiere", erzählt der Norweger, der "The Garden" das "ehrgeizigste Projekt in der Geschichte des Museums" nennt. "Wenn die Leute sie zum ersten Mal sehen wollen, müssen sie nach Aarhus kommen." Die Triennale, die das Verhältnis der Menschen zur Natur in drei Phasen ("The Past", "The Present", "The Future") über 400 Jahre beleuchtet, spielt sich nicht nur an der Küste, sondern auch an anderen Orten der Stadt ab - und im Museum selbst, das für sein Regenbogenpanorama auf dem Dach bekannt ist.
Es ist ein Werk des dänisch-isländischen Künstlers Olafur Eliasson, der im Kulturhauptstadtjahr die Szenografie für ein Ballett nach Jonathan Safran Foers "Tree of Codes" lieferte. Das war Ende April so beliebt, dass das Musikhaus mehrere Extra-Vorstellungen ansetzte.
Die Wikingersaga
"Sowohl was die Kritiken als auch die Besucherzahlen angeht, übertrifft das Jahr unsere Erwartungen", sagt Sorensen. Die Wikingersaga "Rode Orm", die bis Anfang Juli auf und neben dem schrägen Grasdach eines Museums in der Nähe von Aarhus aufgeführt wird, ist an vielen Abenden ausverkauft.
Vor der Show sitzen Familien dort auf Picknickdecken in der Abendsonne, essen mitgebrachte Sandwiches und trinken Wein aus Plastikbechern. Als der Gong erklingt, machen sie sich langsam auf den Weg zu ihren Plätzen auf der Bühne, die neben dem Museum Moesgaard aufgebaut ist. Während die Sonne langsam untergeht, gehen hier Wikinger und Engländer aufeinander los, fechten Widersacher Kämpfe um die schöne, aber scharfzüngige Königstochter aus und rudern die Nordmänner mit ihren Schiffen über das stürmische Meer.
Rund zehn Kilometer weiter nördlich tanzen Zehntausende zur gleichen Zeit zu der Musik von The-Verve-Frontmann Richard Ashcroft und der englischen Band The Prodigy. Die meisten tragen Gummistiefeln an den Füßen, denn das regnerische dänische Sommerwetter hat das Festival zur Schlammschlacht werden lassen. Den Einwohnern der zweitgrößten Stadt Dänemarks macht das nichts aus. Auch das dreitägige "NorthSide" ist in diesem Jahr Teil der Kulturhauptstadt, die sich - typisch für die Studentenstadt Aarhus - entspannt und unprätentiös gibt.
"Keiner lebt gern in einer Stadt, in der nichts passiert", sagt Sorensen. In Aarhus und Umgebung soll nicht nur 2017 viel passieren, sondern auch darüber hinaus, meint der Kommunikationschef. Damit die 450 Millionen Kronen (rund 60,5 Mio Euro), die die Kulturhauptstadt kostet, nicht wirkungslos verpuffen, setzen die Organisatoren auf eine enge Zusammenarbeit zwischen kulturellen Institutionen und Unternehmen. "Die Kultur verbindet uns alle", sagt Sorensen.
Events wie ein Jazzfestival, ein Festival für Kinderliteratur sowie die Umsetzung von drei Filmen der bekannten dänischen Regisseurin Susanne Bier auf der Bühne sollen auch im zweiten Halbjahr Aarhusianer und Touristen in die Kulturhauptstadt unter dem Motto "Let's Rethink" locken.