Diese "Zärtliche Pantomime" ist durchaus explizit: In Spitzenunterwäsche und Lederstiefeln hält sich Renate Bertlmann eine eigenwillige Maske mal vor das Gesicht, dann in ihren Schritt. Die 1976 entstandene Fotoserie ist nur eine von vielen Auseinandersetzungen der Künstlerin mit Sexualität, Witz und gesellschaftlichen Zwängen. Heute gilt Bertlmann als Pionierin der feministischen Avantgarde.
Und das macht nicht nur die gleichnamige Ausstellung der Sammlung Verbund, die derzeit im Wiener mumok Station macht, deutlich. Zwischen Protagonistinnen wie Cindy Sherman, Birgit Jürgenssen oder VALIE EXPORT sind dort auch Bertlmanns Arbeiten zu sehen. Die am 28. Februar 1943 in Wien geborene Künstlerin, die nach ihrem Studium an der School of Arts in Oxford und an der Akademie der bildenden Künste in Wien mehr als ein Jahrzehnt auch als Lehrbeauftragte ihr Wissen und Können weitergab, ist heute nicht von ungefähr in diesem Kontext, unter diesen Namen zu sehen.
In ihren vielgestaltigen Werken - mal Fotografie oder Zeichnung, dann wieder Film, Installation oder Grafik - ist es oft eine vordergründig direkte Sexualität, die sich mit verschiedensten Zuschreibungen auseinandersetzt. Immer wieder begegnet man dabei dem Phallus als Symbol, den Bertlmann in stets neue, teils überraschende und oft ironisch-überhöhte Zusammenhänge setzt. Etwa bei "Frau", einer bunten Zeichnung von 1974, die beinahe ikonenhaft eine dem Penis nicht unähnliche Form mit Strapsen zeigt. Nur wenige Jahre später entstanden wiederum eine "zärtliche" und eine "gezahnte" Vagina ("Vagina Tenera, Vagina Dentata").
"Ihre Arbeit dreht sich um die Themen Liebe, Erotik und Sexualität", schreibt die Direktorin der Dia Art Foundation in New York, Jessica Morgan, über Bertlmann. "Sie wirft ein Schlaglicht in die innersten Bereiche der weiblichen Psyche, macht sie öffentlich und stellt sie in einen gesellschaftlichen Zusammenhang." Damit demaskiere sie letztlich auch den Geschlechterkampf "als geprägt von einer männlich bestimmten, fetischversessenen Sexualität". Ihre feministische Agenda untermauerte sie nicht zuletzt mit dem 1973 veröffentlichten Pamphlet "Warum malt sie keine Blumen?". Ihr Werk unterteilt sie selbst in die gleichberechtigen Teile Pornografie, Ironie und Utopie.
Wie schwierig es war, sich mit ihren Arbeiten zu positionieren bzw. mit welcher Kritik sie umgehen musste, hielt Bertlmann im Vorjahr in einem Interview mit dem "Standard" fest: "20 Jahre lang hörte ich aus verschiedensten Ecken, ich sei eine Psychopathin, gestört, transportiere Männerhass usw. Man weigerte sich, die Ironie dahinter zu verstehen. Das ist nachvollziehbar, weil es nicht leicht zu verkraften ist, wenn ich mich so über ihr bestes Stück lustig mache. Das verkraften nur die, die wirklich eine reife Sexualität haben."
Angekommen ist sie mit ihren Sujets, mit ihren teils schmerzhaften, aber sicherlich pointierten Betrachtungen heute in jedem Fall. Zuletzt waren ihre Arbeiten u.a. in New York, Südkorea oder London zu sehen, wo aktuell eine Doppelausstellung gemeinsam mit Arbeiten von Maria Lassnig in der Sotheby's Gallery läuft. Nun wurde ihr der Große Österreichische Staatspreis 2017 zugesprochen. "Ihre Arbeiten haben im Kontext der feministischen Kunst eine ikonische Wirkung entfaltet. Durch ihre Kunst hat sie den Spielraum weiblicher Selbstbestimmung entschieden erweitert", urteilte der Kunstsenat in seiner Begründung.