Seine Bilder tragen so fantasievolle Titel wie „Die Eidechse mit goldenen Federn“ (siehe oben), „Der säbelbeinige König“ oder „La Rhinozeresse“. Besagtes Rhinozerosweib – es besteht aus einem schwarzen Fleck mit rotem Auge – begrüßt die Besucher im ersten Obergeschoß des Stadtturms von Gmünd und zeugt von der heiteren Verspieltheit eines der populärsten Künstlers der Moderne: des 1983 verstobenen Katalanen Joan Miró.

Nach Francisco de Goya, Albrecht Dürer oder Alfred Kubin ist es Galeriechefin Erika Schuster erneut gelungen, einen Weltstar der Malerei nach Oberkärnten zu holen. Gemeinsam mit Co-Kuratorin Julia Schuster, ihres Zeichens Kunsthistorikerin beim Strabag Kunstforum, hat sie rund 60 Originalgrafiken aus einer Bamberger Privatsammlung an Land ziehen können, um die immense Schaffenskraft des großen Spaniers vor Augen zu führen. „Joan Miró hat bis ins hohe Alter – er wurde 90 – nie aufgehört, neugierig zu sein, Neues auszuprobieren. Er hat sich neben der Malerei mit Wandbemalungen und Keramik beschäftigt, war Dichter und sogar Bühnenbildner. Und er war vor allem auch Meister der druckgrafischen Techniken“, verweist Julia Schuster auf den „Universalkünstler“, der erst nach schweren Depressionen und Anfängen als Buchhalter zur Malerei gekommen ist.

Preis der Biennale

In Gmünd ist der introvertierte „Poet der Farbe“ mit Farblithografien, Radierungen und Holzschnitten vertreten, die großteils nach seinem internationalen Durchbruch bei der Biennale von Venedig (1954) entstanden sind, darunter Beispiele seiner rund 260 Buchillustrationen, Hommagen an verehrte Kollegen wie Antoni Gaudí und Pablo Picasso oder Blätter aus den Serien „Escultor“ („Bildhauer“) oder „Ceramiques“. All diese „Bild-Gedichte“ zeichnen sich durch monochrome Flächen, schwarze Konturen und die drei Primärfarben Rot, Gelb und Blau aus, die nur fallweise ein sattes Grün ergänzt. Sie sind das Ergebnis eines künstlerischen Wandlungsprozesses, der beim Kubismus und Dadaismus ebenso Anleihen nahm wie beim Surrealismus oder bei der Art Brut. Auch asiatische Einflüsse, etwa die Kalligrafie von japanischen Tuschezeichnungen, spiegeln sich in manchen Arbeiten wider. Ein Schlüsselwerk der Schau ist die Farblithografie „Altamira“ (1958), in welcher der aus Barcelona stammende Künstler seine Bewunderung für steinzeitliche Felsmaler zum Ausdruck brachte. Ebenfalls ein Blickfang: die Vorstudie für die berühmte „Mondwand“ am Pariser UNESCO-Gebäude, das Joan Mirós kosmische Lieblingsmotive – Sterne und Mondsichel – zu erkennen gibt.

Eröffnet wird die überschaubare, aber exquisite Ausstellung heute Abend vom spanischen Botschafter Alberto Carnero, der im Katalog daran erinnert, dass der gegen die Franco-Diktatur kämpfende Miró „die düstersten Zeiten Europas erlebt“ habe, diesen aber entschlossen mit seinem Pinsel entgegengetreten sei: „In einer Zeit, in der Gespenster der Vergangenheit Europa zu spalten versuchen, bringt uns die Stadt Gmünd einen Künstler, der die Dunkelheit erhellte und aus Farbe eine universelle Poesie schuf“.