Es ist durchaus stimmig, dass man auf dem Weg zur Entschleunigung den Weg der Beschleunigung beschreiten muss: Wer einmal die verkehrsgeplagte Grazer Kärntnerstraße hinter sich gelassen hat, der kann durchatmen. Linker Hand grüßt der Heimgartenverein „Rosengarten“, dort scharf rechts einbiegen und beim Kaiser Franz Josef Land vor Anker gehen. Letzteres hat zwar nur die Größe einer Verkehrsberuhigungsinsel, aber als eine Art künstlerischer Intervention fungiert es als natürlicher Anzeiger – hier ist die Kunst daheim! Vor 20 Jahren haben Irmi und Reinfrid Horn aus ihrem Heim einen Ort der Kunst gemacht. Der „kunstGarten“ ist ein lebendiger Ausstellungsort, der maximale Gegenentwurf zum neutralen „White Cube“-Konzept vieler Museen. Wenn also Reinfrid Horn das Tor zum „kunstGarten“ öffnet, dann im grünen Overall. Gartenarbeit, was sonst.
Kunst und Garten gehen hier ineinander über, sind miteinander verwachsen. Das ist keine romantische Schwurbelei, sondern eine Zustandsbeschreibung: „Der Garten ist total voll mit Objekten, die im Herbst und Winter wieder mehr in Erscheinung treten, im Sommer ist alles zugewuchert“, erklärt Irmi Horn.
Jetzt im Spätherbst pfeffert die Natur noch ihre letzten Farbtupfer raus, tritt mit der riesigen orangen Skulptur „Pythagorasbaum“ (2007) von Hartmut Skerbisch in Konkurrenz. Groß, klein, versteckt, leuchtend, sich an die Umgebung angepasst, von Rosa Rendl bis Renate Krammer und Edith Temmel bis Gunter Damisch – die Kunst hat hier viele Erscheinungsformen. Vor allem ist sie aber eines, so Irmi Horn: „Sie ist ein Nahrungs- und Kommunikationsmittel. Kunst ist für uns eine Art Helfer“, führt sie aus. Kunst als Investitionsobjekt? Da kann sie nur lachen: „Kunst wird erst durch den Gebrauch wertvoll.“ Nachdenkprozesse starten, das Menschsein und die Menschlichkeit fördern, in andere Welten eintauchen, das haben sich Irmi und Reinfrid Horn auf die Fahnen geheftet.
Der Garten selbst, der ist noch einmal ein anderes Kapitel, so Reinfrid Horn: „Er folgt dem japanischen Wabi-Sabi-Konzept, er betont das Vergängliche, das Imperfekte.“ Kein Wunder also, dass Arne Rautenbergs Skulptur „The Breathe of Hokusei“ gut sichtbar beim kleinen Auditorium platziert ist. Lesungen, Filmvorführungen, Ausstellungen, im „kunstGarten“ ist alles in Bewegung. Gehandelt wird im Hier und Jetzt: „Es gibt nur ein Jetzt, ein Nachher gibt es nicht. Auch für die Kunst ist es wichtig, diese Momente zu nutzen“, erklärt Irmi Horn.
In diesem Sinne geht auch der Garten nicht in die Winterpause, bleibt der „kunstGarten“ geöffnet: Längst ist das gemütliche Holzhaus mit seiner viele tausend Bände umfassenden Gartenbuchbibliothek zum Kulturwohnzimmer geworden, in dem man sich trifft. Das ist ganz im Sinne der Gastgeber: „Wir existieren nur in der Mannigfaltigkeit, weil wir alle aufeinander angewiesen sind.“