Es sind Gerüche, die man im urbanen Raum nicht nur nicht vermutet, sondern vielleicht zunächst auch gar nicht zuordnen kann: dunkel-rauchige Kohle und luftig-würziges Heu. Es ist die Essenz performativer Kunst, die mehrere Tage die Umgebung des Grazer Schaumbades erkundet und jetzt nicht nur olfaktorisch die Ausstellungsräumlichkeiten erobert hat. „Druhá města / Andere Städte“ ist ein länderübergreifendes Langzeitprojekt, das Brünn auf mehrfache Weise mit Graz verbindet. Zwei Städte, die im Schatten der Hauptstädte stehen, aber das muss nicht zwangsläufig ein Nachteil sein. Nach der Ausstellung einer Schaumbad-Abordnung in den Brünner Káznice Studios, schlug ein Brünner Kollektiv (Tamara Conde, Tereza Holá, Jan Karpíšek, Lucie Králíková, Markéta Olšarová und Hynek Skoták) nun in Graz auf.

Das gemeinsame Erkunden, das Ausrollen künstlerischer Konzepte – in deren Fokus vor allem die Interaktion mit natürlichen Ressourcen steht – auf die Umgebung, all das mündete in immer neuen Fragestellungen. Der Auslöser: Natur und urbanes Leben, da ist ein Anecken vorprogrammiert. Hynek Skoták hat den Prozess in Texten begleitet: „Es ist unmöglich, das Gras zu mähen. Die Wiesen sind geschützt. Das Baden im Fluss darf öffentlich nicht sein. Es ist gefährlich. Das Heu kann im Gebäude nicht gelagert werden. Drinnen im Gebäude könnten sich Allergiker befinden ...“. Zustandsbeschreibung eines Ortes, seiner Grenzen, seiner Strukturen, seiner Regeln.

Und doch, die Kunst findet Wege und Umwege: Es wurde Gras gemäht und getrocknet, Kohle gemacht und rituell in der Mur gebadet. Die „Ernte“ der rund einwöchigen Performance wurde in Form gebracht, die Strohsäcke von Tereza Holá transformieren den Ausstellungsraum in einen Raum der Entspannung. Eine Naturerfahrung der etwas anderen Art.

Zum Mitnehmen: Biokohle von Jan Karpíšek
Zum Mitnehmen: Biokohle von Jan Karpíšek © Susanne Rakowitz

Im Oberdeck des Schaumbades nähert sich der junge Grazer Künstler Philipp Heinrich Wilding einem gesellschaftspolitisch spannenden Thema – der Vielfalt der Männlichkeit. Toxisch-destruktive Männlichkeitsmuster werden hier nicht in Watte gepackt, sondern geschickt gestrickt, plakativ auf die Leiwand gebracht – und darin verstrickt, die angeblich so weibliche Kulturtechnik des Strickens. All das und noch viel mehr kann man sich morgen ab 17 Uhr vor Ort anschauen, wenn nicht nur das Atelierhaus Schaumbad seine Türen öffnet, sondern auch die Künstlerinnen und Künstler vom nebenan gelegenen Atelierhaus Tagger.

„Rendezvous extended: Druhá města / Andere Städte“ und „VERSTRICKT, Soft Patterns of Masculinity”, bis 26. Oktober. Atelierhaus Schaumbad. Puchstraße 41, 8220 Graz. schaumbad.mur.at