Man braucht nicht sonderlich viel Fantasie, um sich das Treiben in DIESER Werkstatt, bei DIESEM Künstler vorzustellen: Es wird wohl ein „Ah!“ und „Oh!“ und ein „mehr Licht!“ oder ein „weniger Licht!“ und ein „niedriger hängen!“ gewesen sein. Rembrandt Harmenszoon van Rijn (1606-1669) und seine Malerwerkstatt, die wohl vielmehr eine Art Labor war, das sich der maximalen Betörung der optischen Sinne verschrieben hat. „Rembrandt hat sich selbst als Forscher verstanden, sein Ziel war es, ein Universalkünstler zu sein“, erklärt Kuratorin Sabine Pénot die Triebfeder der Kunst dieser Zeit. Kunst gepaart mit Naturwissenschaft dominierte die Werkstätten: optische Phänomene, Wahrnehmung, Illusion zu verstehen und mit Farbe, Licht und Schatten auf die Leinwand zu bringen. Das war das A und O, das letztlich bei den Betrachtern das „Ah!“ und „Oh“ auslöste. Wissen, das ins Staunen übergeht.
Es ist kein Wunder, dass immersive Ausstellungen in den letzten Jahren boomen, dass der Mensch sich genüsslich der Illusion hingibt, staunend darin eintaucht. Der Moment, wenn Realität und Täuschung verschwimmen – ein maximaler Wahrnehmungsgenuss! Heute sorgt Technik dafür, vor 400 Jahren griffen Rembrandt und Zeitgenossen zum Pinsel. „Augenbetrügerei-Stillleben“ nennt sich gar ein Bild von Samuel van Hoogstraten (1627 – 1678), der in der Werkstatt von Rembrandt ausgebildet wurde. Ihn lässt Kuratorin Sabine Pénot in der Ausstellung „Rembrandt - Hoogstraten. Farbe und Illusion“ gegen seinen Lehrmeister antreten. 57 Gemälde umfasst die Ausstellung, 29 davon sind von Hoogstraten. Man hätte gut und gerne auch „nur“ eine Rembrandt-Ausstellung machen können, immerhin besitzt das Kunsthistorische Museum eine der bedeutendsten Rembrandt-Sammlungen überhaupt. Erstaunlicherweise wäre es die erste Rembrandt-Schau im Haus gewesen. Ein garantierter Publikumsmagnet, schon bei der Ankündigung im Frühjahr trudelten die ersten Ticketbestellungen ein, erinnert sich KHM-Chefin Sabine Haag bei der Pressekonferenz.
Pénot hingegen spannt den Star mit dem „Outsider“ Hoogstraten zusammen. In der Gegenüberstellung offenbart sich nicht nur die individuelle Entwicklung beider Künstler, sondern auch die sukzessive Perfektionierung der Trompe-l‘œil-Kunst, also der Kunst der Illusion. Hoogstraten selbst hat mit dem Traktat „Einführung in die Hohe Schule der Malkunst“ (1678) der Nachwelt ein Fenster in die Welt von Rembrandts Werkstätte hinterlassen, das der Kuratorin als Gerüst für die Schau dient. Letztere ist, was die internationalen Leihgaben betrifft, das wahr gewordene Wunschkonzert der Ausstellungsmacherinnen.
Da wäre etwa das Rembrandt-Porträt der Agatha Bas (1641), eine Hand lässig am Bilderrahmen abstützend, als wäre es ein Fensterrahmen. In der anderen ein Fächer, der ebenso aus dem Rahmen ragt, das Kleid, seine Verschnürungen, der Kragen, die Ärmel, die Enden aus allerfeinster Spitze – präzise bis ins allerkleinste Detail, ein Kontrast zu den feinen Haaren, die sich locker aus der Frisur gelöst haben. Das Gemälde stammt übrigens aus der Sammlung von König Charles III.
Hoogstraten wird von Rembrandt lernen – und wie! 1635 fertigt er „Alter Mann im Fenster“ an, das ganz im Sinne der Illusion gar keinen Rahmen besitzt. Grobes Mauerwerk, ein Fenster aus Butzenscheiben und ein neugieriger, alter Mann, der aus dem Fenster schaut. Illusion bis hin zur Perfektion. Auf die Spitze treibt es Hoogstraten mit seinen gemalten Steckbrettern, auf denen Gegenstände des Alltags zu sehen sind. Der Habsburger Kaiser Ferdinand III. ist auf eines dieser „Augenbetrüger-Stillleben“ prompt hereingefallen. Bös war er ihm nicht, im Gegenteil, er hat das Bild gleich behalten und beim Künstler ein weiteres Illusionsbild in Auftrag gegeben: „Der Innere Burgplatz in Wien“ (1652). Die Augentäuschung allein reichte nicht mehr, ursprünglich war in dem Gemälde sogar eine echte Uhr verbaut. Der Hauch eines immersiven Erlebnisses.