Einmal bei der Hecke scharf um die Ecke gebogen und da steht sie im Belvederegarten: elegant, aber angespannt. Sprungbereit? Weiß man nicht so genau. Für Louise Bourgeois (1911-2010) waren ihre überdimensionierten Spinnenskulpturen das Sprungbrett zur Weltkarriere, da war die Künstlerin längst schon im fortgeschrittenen Alter. Doch die Kunst, die hat die gebürtige Französin schon immer begleitet und das in vielen Spielarten. Die Malerei war ihr Einstieg und radikal stieg sie 1949 auch wieder aus – statt der Leinwand fand sie zur Bildhauerei.
Die scheinbare Leichtigkeit, mit der die junge Frau mitsamt ihrem Köfferchen in Richtung New York aufbricht, die täuscht. Der Titel „The Runaway Girl“ (1938) sagt schon mehr darüber aus, mit welchem imaginären Großgepäck Bourgeois in ihre neue Heimat abgereist ist. Viel davon hat sie auf Leinwand hinterlassen, die Kindheit, die zwischen Magie und Drama hin- und herpendelt. Der Vater, der die Mutter mit dem Kindermädchen über Jahre betrogen hat. Das Unausgesprochene, das hat Bourgeois auf Leinwand fixiert. Mal klar figurativ, dann ins Abstrakte, bisweilen sogar ins Surreale abdriftend. Zitate an der Wand lassen die Künstlerin selbst zu Wort kommen: „Ich habe immer gesagt, dass meine Kunst meine Psychoanalyse ist“. Letztere hat sie ab 1952 bei Henry Loewenfeld, einem Schüler von Freud, selbst in Anspruch genommen.
Ihr Zyklus „Femme maison“ (Frau und Haus) hat nichts an Aktualität verloren, die Suche nach weiblicher Identität zwischen Frau, Mutter und Künstlerin, hat Bourgeois selbst umgetrieben. Das Verweben von Frauenkörpern und Häusern, das in sich verschachteln, ist beinahe körperlich spürbar. Der Ausstellungstitel „Unbeirrbarer Widerstand“ (kuratiert von Sabine Fellner und Johanna Hofer) lässt sich nicht nur an diesen Werken festmachen. Dass eine ihrer berühmten Zellen (Choisy), Metallkäfige, in der hier eine Marmorskulptur ihres Elternhauses steht – über dem ein Fallbeil schwebt – ebenso ausgestellt ist, weitet den Blick auf das unglaubliche Werk dieser Künstlerin.