Wien Heldenplatz, 17.30 Uhr. Die umliegenden Grünflächen sind von Picknickern belegt - so will es die 1. Mai-Tradition nebst Demoaufmärschen. Während zweiteres heuer großflächig ins Netz abgewandert ist, machte die Kulturbranche ihrem Ärger bei einer Kundgebung lautstark auf sich aufmerksam.
Demonstrieren in Zeiten von Corona fühlt sich seltsam an. Schutzmaskenpflicht, durch die Pfiffe oder Buh-Rufe abgestumpft klingen. "Nehmen wir Tel Aviv zum Vorbild", sagte der Initiator León de Castillo ins Mikrofon und gibt mit ausgebreiteten Armen die Abstandlänge vor. Um dann zu erklären: "Für mich ist das keine Eintagsfliege", sagte er. Man werde so lange zusammenkommen, bis es zu Veränderungen komme.
Geschätzt 300 Menschen wohnen der Demo bei, manche sind von anderen Demos übrig geblieben, andere Zaungäste. Viele aber sind extra angereist und halten Transparente oder Plakate in die Höhe, auf denen zu lesen ist: "Auch Kunst und Kultur können Leben retten". Oder "Art Feeds Our Freedom. But Who Feeds The Artists?" Oder: "Vielfalt ist Demokratie, auch Kleinkunst muss leben."
Hintergrund der Demo ist die Tatsache, dass es für viele Lebens- und Wirtschaftsbereiche ab sofort Lockerungen oder zumindest klare Regeln für adas Wiederhochfahren gibt, doch die Film- und Kulturbranche größtenteils keine Ahnung hat, wann und wie sie wieder starten dürfen. Unlängst haben dazu auch rund 250 Filmschaffende einen offenen Brief an die aktuell viel kritisierte Kunst- und Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek verfasst haben - diesen liest Schauspielerin Alina Schaller vor. "Haben Sie uns vergessen?" wird darin gefragt.
Davor heizte die Autorin und Publizistin Susanne Scholl, die mit den "Omas gegen Rechts" reichliche Demonstrationsbeharrlichkeit an den Tag legte, die Menge ein: "Ich mache mir wirklich Sorgen um unsere Gesellschaft", sagte sie. Man hat praktisch das Gefühl, Kultur spiele für die Gesellschaft keine Rolle. Aber: "Eine Gesellschaft ohne Kultur ist eine tote Gesellschaft, eine kaputte Gesellschaft" mahnte sie in roten Handschuhen am Mikro. Nachsatz: Kultur sei das, was eine Gesellschaft ausmache.
Theatermacher Dieter Boyer appellierte an die Kulturnation Österreich: Die Künstlerinnen und Künstler seien verantwortlich, dass wir eine Kulturnation seien. "Aber auch Künstlerinnen und Künstler müssen essen und ihre Miete zahlen."