Vieles kennt man seit „Live Aid“, dem ersten globalen Benefizkonzert von 1985: die Superstars, die zusammenkommen, die Kurzauftritte, die inspirierenden Botschaften, die schiere Dauer: mehr als acht Stunden hat das Event "Together At Home" von Global Citizen mit mehr als 100 beteiligten KünstlerInnen gedauert. Aber diesmal gab es keine gemeinsame Mega-Bühne, und auch keine bummvollen Stadien, in denen die Menschen mit der Musik auch ihre Verbundenheit mit dem guten Zweck feiern konnten.
Das „Together At Home“-Livekonzert mit Musikgrößen von Billie Eilish bis zu Paul McCartney hat in der Nacht auf Sonntag tatsächlich nur daheim und doch weltweit stattgefunden – in einem mehr als achtstündigen Livestream, im virtuellen Raum auf Youtube und Twitter.
Ein Riesenevent nur im Netz, mit Blick in die Wohnzimmer von Musikern wie Mick Jagger, Shawn Mendes, Camila Cabello, John Legend, Celine Dion, Zucchero & Co. Schwere Möbel, Konzertflügel, mit Gitarren vollgehängten Wände: Sagt der Einblick in die Privaträume dieser Superstars irgendetwas aus? Eines zumindest – wir stecken da alle gemeinsam drin. Unsereiner eher in der 60-Quadratmeter-Mietwohnung, die halt eher im karibischen Ferienschlösschen. Aber das ist dem Virus bekanntlich egal. Es zählt hier aber nicht nur die symbolische Wirkung der Aktion.
Lady Gaga, die das Event zu Ehren des Gesundheitspersonals in der Coronakrise und als "Liebeserklärung an die Welt" organisiert hat, stellte schon vorab mit Großsponsoren 150 Millionen Dollar für den Solidaritätsfonds der Weltgesundheitsorganiation WHO auf. Dieser will, wir erinnern uns, US-Präsident Donald Trump nun alle Unterstützungszahlungen streichen. Mitten in der größten globalen Gesundheitskatastrophe seit Menschengedenken, und nachdem die Epidemie in den USA vor allem durch seine Versäumnisse eskaliert ist.
Klare Zeichensetzung: Im Rahmen von „Together at Home“ war nun auch WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus eingeladen. Und rief dabei zur internationalen Solidarität auf, dazu „über unsere Unterschiede hinweg- und das Beste ineinander zu sehen.“ Insofern war das Konzert gerade in den USA, die heuer noch wählen werden, natürlich auch eine pünktliche politische Demonstration gegen politischen Moralverlust. Aber es war mit seinem riesigen Staraufgebot, mit seiner Parade an Ärzten, Wissenschaftlern und Aktivisten von UN-Chef Antonio Gutierres bis Laura Bush und Michelle Obama auch das, was solche Shows im besten Fall sein können: Zeichen der globalen Verbundenheit, ein Aufruf zur Solidarität. Und die Erinnerung daran, dass man zusammenhalten und zusammenwirken kann. Wenn schon nicht per analogem, dann halt per digitalem Massenauflauf.
Darüberhinaus, das war eine der Überraschungen dieser Nacht, hat der Konzertmarathon quer durch die Wohnzimmer der Superstars auch ohne gemeinsames Live-Erlebnis dieses eine Mal überraschend gut funktioniert: lustig, die Rolling Stones so onkelhaft entspannt zusammenschrammeln zu sehen (hat Charlie Watts da eigentlich auf den Kosmetikkoffern seiner Frau getrommelt?). Fantastisch, wie Lizzo oder Christine & the Queens, jede auf ihre Art, auch das stillste Kämmerchen musikalisch zum Vibrieren bringen.
Taylor Swift versprach „Soon You‘ll Get Better“, Elton John hackte in seinem Garten in Los Angeles eine rasante Version von "I'm Still Standing" ins Klavier. Billie Eilish sorgte mit einer zarten Version des Klassikers „Sunny“ für dringend benötigte Stimmungsaufhellung in düsteren Zeiten. Und das nicht nur in den USA, der von Corona mittlerweile am härtesten betroffenen Nation.
Aktionen wie diese zeigen: Nicht nur das Virus ist international, auch Solidarität wirkt weltweit. Vielleicht nicht heilend, aber immerhin lindernd. Good News für uns alle, die wir noch länger zu Hause sitzen werden.
Ute Baumhackl