In die Luft geworfene Handys während einer Achterbahnfahrt fangen, offenbar gleich ausschauende Teddybären auseinander halten können und Brettspiele schon daran erkennen, wenn man sie ausschüttet sowie das Scannen von Fingerabdrücken mit freiem Auge: Ja, es war ein Kessel Buntes mit Wetteinsätzen und vertrauten Promis, der die Jüngeren womöglich zum Staunen gebracht hat, womit halb Deutschland und viele Österreicher über Jahrzehnte mehrere Samstagabende pro Jahr verbracht haben. Thomas Gottschalk kann's noch, selbst mit angezogener Handbremse und auch wenn einige seiner Pointen platt über den Bildschirm kommen. Ein Sonnenschein wie Michelle Hunziker an der Seite tut ihm freilich gut, mehr denn je. Der Reiz liegt zudem daran, dass er nur einmal alle zwölf Monate bei uns im Wohnzimmer vorbeischaut.
Vier Kilo leichter nach einer Fastenkur in der Schweiz (gemeinsam mit Lebensgefährtin Karina und Kumpel Mike Krüger) war er bestens gelaunt an den Bodensee gereist. Große Vorbereitungen oder Besprechungen mit Textschreibern braucht er nicht: "Das ist das letzte spontane Live-Event im deutschen Fernsehen", erklärte der 72-jährige Titan der Samstagabend-Unterhaltung vor der Show.
"Ich bin’s ja nur", strahlte Thomas Gottschalk angesichts der stehenden Ovationen in der Messehalle von Friedrichshafen. Der Applaus wollte kein Ende nehmen. "Hinsetzen", befahl der große Blonde im rötlich-schwarzen Leopardenmuster (einem Outfit von Dolce & Gabbana). Ganz in pink moderierte Michelle Hunziker an seiner Seite. Ungewöhnlich: Gottschalk wollte ihr etwas Privates hinsichtlich der Paparazzi-Fotos mit dem italienischen Beauty-Doc Giovanni Angiolini entlocken, doch da biss er bei der 45-Jährigen auf Stein. Es schien, als ob die Show gleich am Anfang an Fahrt verliert. Zuvor konnte man hören: "Thomas, du siehst so gut aus! Bist du verliebt?", zwitscherte Michelle. "Ja, das ist kein Geheimnis – Karina sitzt auch hier", antwortete Gottschalk; die Besagte (ehemals Controllerin beim Südwestrundfunk SWR) wurde von den Kameras im Zuschauerraum sofort eingefangen.
So waren dann allerdings die Gespräche mit den ersten Gästen – Michael "Bully" Herbig und Christoph Maria Herbst als Promoter ihrer Kino- und TV-Aktivitäten und wie für einen Bankkredit-Termin angezogen – mehr bemüht als launig. Verträgt "Wetten, dass..?" nicht zu viel Instagram und Entblößung? Die Bagger-Wette musste es retten. Und wurde diesmal von der Oberösterreicherin Sandra Hasenauer angeboten. Und das in Pumps am Steuer. Ein gelassener Star des Abends – aufs Können vertrauend. Sie stach rohe Frühstückseier mit der Baggerschaufel nur an, ohne sie zu zerbrechen. Ein Bagger kann also auch richtig zärtlich sein! Topkandidatin für die Prämie von 50.000 Euro als Wettkönigin.
Beim zweiten Revival nach dem Triumph vor genau einem Jahr lud er sich Robbie Williams (44) ein, der kürzlich bei einem Konzert in der Hamburger Elbphilharmonie gefeiert worden war, und den Ausnahme-Mimen John Malkovich (68), der extra aus den USA einflog. Das waren noch Zeiten, als eine Madonna oder Michael Jackson zum ersten Mal im deutschen TV auftraten. Heute muss die Devise "More of the same" gelten: Robbie Williams war nun schon zum zehnten Mal Gast bei "Wetten, dass..?" (inklusive Auftritten mit Take That). Aber immerhin ist das Bekannte auch meist das Geschätzte. Außerdem hat der Show-Dampfer seit 1981 unser Vokabular geprägt – oder kannten wir vorher den Ausdruck "Saalwette" oder "Außenwette"?
Thomas Gottschalk, der einen dunkelgrünen Anzug von John Varvatos als Reserve in seine Garderobe mitgebracht hatte, genießt es sichtlich in vollen Zügen, ohne Druck noch einmal Gastgeber im größten Wohnzimmer der linearen Fernsehwelt zu sein, einer Welt, die sich verliert. Einmal im Jahr also pure Freude, das Lästern der Kritiker und ständige Schielen auf die Quote während seiner letzten "Wetten, dass..?"-Jahre bis 2011 ist vergessen.
Nach der Zugabe von Robbie mit "Angels", wo die halbe Halle mitsang, konnte sich Gottschalk einen Seitenhieb auf Florian Silbereisen und seine Mega-Schlager-Abende und Volksfeste nicht verkneifen. Das ist ein neuer Zug am Sonnenkönig des linearen Entertainments, denn Konkurrenz hat er bisher ignoriert.
Robbie Williams war gestern Abend schon zum zehnten Mal zu Gast gewesen (inklusive seiner Auftritte mit Take That), wenn indes Herbert Grönemeyer ein neues Lied präsentiert ("Deine Hand" aus dem im März 2023 kommenden Album "Das ist los"), hat das noch eine Spannung, die wir vor der Ära von Youtube & Co. empfunden haben. Früher war „Wetten, dass..?" eben eine Plattform für europäische oder Welt-Premieren.
Was "Wetten, dass..?" auch heute noch ausmacht: das Überraschende bei den Wetteinsätzen – wie der Can-Can-Tanz. Grönemeyers neue Nummer blieb hingegen nicht im Ohr. Da taten sich all die Hits aus dem Musical "Moulin Rouge" leichter.
Es war eben wie früher: Die einen warteten nur auf die angekündigten Superstars, die anderen blieben beim eigentlichen Konzept des TV-Formats dabei, nämlich den Wetten. Wie bei einem typischen Großfamilientreffen. Österreichs Bagger-Fahrerin bekam übrigens nicht genügend Anrufe; Sandra erreichte Silber.
Und Hunziker befand: "Das war eine richtig tolle Sendung, Thomas!"