Auch eine Tonne Federn wiegt 1000 Kilo. Kendrick Lamar, der größte Rapper unserer Zeit und Pulitzer-Preisträger, ist – lang erwartet – zurück. Mit einem Album, das den Titel „Mr. Morale and the Big Steppers“ trägt und zurück zu seinen Anfängen als Normalo-Rapper führt. Jazz-Labyrinthe gehören der Vergangenheit an. Ebenso verknotete Beat-Strukturen, die an Fieberträume erinnern. Album Nummer fünf ist ein unverkopftes Werk geworden, getragen von geradlinigen Trap-Beats, Synth-Schluchten oder unscheinbaren Klavier-Miniaturen und reduzierten Orchester-Arrangements, die nie episch klingen.
Vordergründig geradlinig, unterschwellig aufrüttelnd
Aber nur scheinbar ist dieses Album leicht wie eine Feder. Wer das intim-verstörende Werk verstehen möchte, muss von hinten anfangen, „Mother I Sober“ hören. Darauf: Eine nie dagewesene Thematisierung von Misshandlungsstrukturen in der schwarzen Community, die Vererbung von Rache über Generationen, deren Auswirkung auf den Selbstwert von halbstarken Rappern und starken Frauen.
Generell ist dieses Album die vertonte Dichotomie, das Aufeinanderprallen von zwei Welten, die Lamar beide verkörpert. Den Intellekt des „Mr. Morale“ auf der einen Seite, den von Traumata und Armut geprägten Gangster-Pragmatismus des „Big Steppers“ auf der anderen Seite. Lamar bricht darauf mit seiner ihm aufgedrängten Vorbildrolle und Unfehlbarkeit. „I can’t please everybody“ singt er auf „Crown“. Auf „Worldwide Steppers“ rappt er über seinen Rassismus gegenüber Weißen, auf „Auntie Diaries“ über die Transphobie in seiner Familie, an etlichen anderen Stellen über seine Sexsucht. Die Gesellschaft hat Lamar bereits beleuchtet, nun ist seine Seele dran.