Am Dienstag steht er schon wieder in der Klasse, um das „Abitur abzunehmen“, erzählt Tijan Sila. Und es könnte durchaus sein, dass er mit Applaus empfangen wird. Denn der Lehrer für Deutsch und Englisch an einer berufsbildenden Schule in Kaiserslautern wurde gestern mit dem mit 25.000 Euro dotierten Bachmannpreis ausgezeichnet. Unter seinen ersten Gratulanten: seine Schülerinnen und Schüler, die sich die Preisverleihung via 3sat angeschaut haben.

In seinem ebenso literarischen wie persönlichen Text „Der Tag, an dem meine Mutter verrückt wurde“ (nachzulesen hier) erzählt der 1981 in Bosnien geborene Sila vom generationenübergreifenden Trauma des Balkankriegs. Er war 13 Jahre alt, als seine Familie während der Belagerung von Sarajevo nach Deutschland floh. Praktisch sofort begann er, intensiv Deutsch zu lernen: „Ich war immer schon ein Vielleser und Stammgast in der Bücherei. Deutsch wurde bald meine Primärsprache, während mein Bosnisch aufgehört hat, sich weiterzuentwickeln.“

Eine Umarmung von Juror Philipp Tingler
Eine Umarmung von Juror Philipp Tingler © APA / Gert Eggenberger

Der studierte Germanist und Anglist veröffentlichte 2017 sein Debüt „Tierchen unlimited“, es ist bisher das einzige Buch, das auch ins Bosnische übersetzt wurde. 2018 folgte „Die Fahne der Wünsche“ über das Aufwachsen eines Teenagers in einem totalitären Regime, zuletzt veröffentlichte der Vater einer knapp zweijährigen Tochter gemeinsam mit seiner Frau Lena Schneider das Kinderbuch „Lila Leuchtfeuer“. Viel Beachtung fand seine autobiografische Auseinandersetzung mit dem Leben und Überleben während des Krieges, das Schreiben von „Radio Sarajevo“ sei „wohltuend und heilsam“ gewesen, so Sila. Der in Klagenfurt preisgekrönte Text ist ein Auszug aus dem nächsten Roman, der mit dem Ankommen als Kriegsflüchtling in Deutschland die Geschichte fortschreiben wird. Bis zum Erscheinen des Buches muss man sich aber noch gedulden: „Es wird frühestens 2027 herauskommen.“