Das philosophische Hauptwerk des Literaturnobelpreisträgers Elias Canetti „Masse und Macht“ begleitet die Tänzerin und Choreografin Andrea K Schlehwein schon seit ihrem Germanistikstudium. In ihrer aktuellen Produktion gibt sie den Überlegungen zu den Mechanismen zwischen Individuum, Gruppe und deren Kontrolle unter dem Titel „Figur X“ körperlichen Ausdruck durch Tanz und Video.

Opulente Barockmusik führt die fünf Tänzerinnen und Tänzer anfangs zusammen. Sie finden gleiche Formen und Bewegungen, strahlen offene Gemeinsamkeit aus. Doch bald kippt es und das Szenario wirkt bedrohlich, denn die einzelnen Menschen bekommen Masken, wodurch sich die Individualität auflöst. Einzelne Allianzen bilden sich – aber nur kurz, denn Gemeinsamkeit und Ausgeschlossen-Werden wechseln schnell. So auch die Tanzsprache: runde Bewegungen und leichte Sprünge mutieren zu Machtbildern mit kantigen Fingerzeigen und demonstrieren, wie fragil Gruppenkonstellationen sein können. Verstärkt wird die 30-minütige, intensive Auseinandersetzung gesellschaftlicher Beziehungsgeflechte durch eine Videoprojektion, die zwischen Bildern Einzelner und der gesamten Gruppe changiert. Mit hoher technischer Präzision zeigen die Tänzerinnen und Tänzer sowohl solistisch wie auch zu zweit oder als Gruppe ein starkes Stück mit dynamischen Sprüngen und berührenden Momenten. Schließlich braucht der Mensch allein wie in der Masse Umarmungen.

Mit dynamischer Leichtigkeit ein intensives Thema ausgedrückt: Figur X
Mit dynamischer Leichtigkeit ein intensives Thema ausgedrückt: Figur X © KLZ / Tina Perisutti