Typisch Diagonale: Zur Festivaleröffnung am Donnerstag herrscht vor der Helmut-List-Halle der übliche fröhliche Tumult, aufgrund einer Zugentgleisung auf der Strecke Graz-Wien und deswegen verzögertem Start sogar deutlich länger als üblich. Routiniert mischen sich im 27. Grazer Diagonale-Jahr Österreichs Filmszene und Grazer Kulturbetrieb, dabei steht die Eröffnung diesmal im Zeichen der Neuaufstellung: Das neue Intendantenduo Claudia Slanar und Dominik Kamalzadeh fokussiert in seinem Festivaldebüt nicht nur aufs heimische Filmschaffen, sondern bringt etwas Internationalität mit und hat mit dem Heimatsaal ein Festivalzentrum zum Reden und Feiern installiert. Angetreten sind die beiden auch mit der erklärten Absicht, das Festival „in Hinblick auf die Branche, Positionen und Themen“ weiter öffnen zu wollen.
Zur Filmkritik
Branche und Publikum sind dem Aufruf zum „gemeinsamen wilden Denken“ prompt gefolgt – ein volles Haus erlebte am Donnerstag nicht nur Ruth Beckermanns Eröffnungsfilm „Favoriten“, sondern auch eine Eröffnungsrede, in der Slanar und Kamalzadeh für Mut zur Ambiguität plädierten – und aktives, reflektiertes Zuhören und Zusehen nicht nur im Kinosaal zum politischen Akt erklärten – umso mehr, als angesichts von Hamas-Attacke, Gaza-Krieg und der „Übersteuerung bestimmter Sichtweisen und Interpretationsmodelle“ die „freien Zonen des Austauschs“ rarer würden. Da brauche es ein „universalistisches Festivalverständnis“.
Lukas Miko im Porträt
Und: „Die Diagonale muss möglichst viele Stimmen inkludieren – und hat in dieser Hinsicht auch Wachstumspotential und Handlungsbedarf.“ Zugleich müssten Irritation und Unbehagen „im künstlerischen Bereich bewahrt werden, selbst wenn sie an Sensibilitäten rühren.“ Als Voraussetzung, um Standpunkte und Perspektiven zu hinterfragen und eventuell zu erneuern. Applaus für Slanar und Kamalzadeh. Und noch mehr für Charakterdarsteller Lukas Miko, der – genau an seinem 53. Geburtstag – für außerordentliche Leistungen um den heimischen Film mit dem Großen Schauspielpreis geehrt wurde.
Doku über die Diagonale
Der Filmemacher Markus Mörth hatte gestern, pünktlich zur Eröffnung der Diagonale in der List-Halle, Drehstart für seine Doku über das Filmfestival; eine Koproduktion mit dem ORF. Eine mehrfache Premiere für den Auftakt der Intendanz von Claudia Slanar und Dominik Kamalzadeh. Aus dem zehnten Wiener Bezirk, wo Ruth Beckermann ihre gleichnamige Langzeitbeobachtung „Favoriten“ in einer Volksschule ansiedelte, kam der Bezirksvorsteher Marcus Franz. Ebenso aus Wiens Kulturpolitik angereist: Staatssekretärin Andrea Mayer und Stadträtin Veronica Kaup-Hasler. Landeshauptmann Christopher Drexler empfing sie mit Kulturstadtrat Günter Riegler, Bürgermeisterin Elke Kahr, Vize Judith Schwentner. Schauspiel-Prominenz kam ebenso, um Lukas Miko zum Großen Diagonale Schauspielpreis zu gratulieren: etwa Neo-„Jedermann“ Philipp Hochmair, Grete Tiesel, Gerhard Liebmann, Robert Stadlober, Michael Ostrowski. Dazu viele Filmschaffende wie Sudabeh Mortezai, Catalina Molina, Ulrich Seidl, Dieter Berner, Severin Fiala.