Sie ist 88 Jahre jung und von Müdigkeit keine Spur: Noch immer bringt Ingrid Noll verlässlich alle ein bis zwei Jahre einen Krimi heraus. Wobei: Der neueste Roman der deutschen Bestseller-Autorin ist trotz einer Leiche kein Krimi, sondern vor allem ein liebevoll-bissiger Blick auf ein Biotop. Irma ist Köchin, die 40-Jährige hat das Gasthaus „Zum Hirschen“ in die weithin beliebte „Aubergine“ verwandelt und serviert vegetarische Küche. Dabei steht ihr eine kleine, bunte Truppe zur Seite: Der Kellner Josch ist nicht nur ihr wichtigster Geschäftspartner, sondern auch Objekt ihrer erotischen Sehnsüchte; Josch wiederum beginnt ein Verhältnis mit der 17-jährigen Aushilfskraft Lucy. Und der 80-jährige Vinzent, der täglich das Gemüse schnipselt, um der Einsamkeit in seiner Villa zu entkommen, hat sich in die pummelige Irma verschaut und wird vom Rest der Truppe für stocktaub und nicht ganz richtig im Kopf gehalten.
Aus diesen vier Perspektiven erzählt Ingrid Noll jeweils in der Ich-Form von Missverständnissen, Kränkungen, Rache- und Heiratsplänen. Mit feiner Klinge seziert sie die zwischenmenschlichen Beziehungen, denn im vordergründigen Idyll gärt es gründlich, und es ist durch den ständigen Perspektivenwechsel herrlich mitzuerleben, wie die Protagonisten aneinander vorbeireden oder sich gegenseitig und die Situationen vollkommen unterschiedlich bis falsch einschätzen. Dass Ingrid Noll dabei den Figuren die passende Sprache gibt – etwa die „weirde“ Jugendsprache von Lucy und „Denglisch“ bei Josch – ist mitunter gewöhnungsbedürftig, sorgt aber für zusätzliche Authentizität. Und der titelgebende „Gruß aus der Küche“ wird mitunter als deftiger Scherz serviert. Vordergründig passiert gar nicht so viel, tatsächlich geht es um Liebe, Verrat, Rache und um den Tod und jene, die davon profitieren. Und so erzählt Ingrid Noll wieder einmal schwarzhumorig von den großen Verletzungen in vermeintlich kleinen Leben.