Kriegsvertriebene auf Herbergssuche, palästinensische Familien, die auf Eseln nach Ägypten zu flüchten versuchen; israelische Kinder, die von einer Terrorbande kaltblütig ermordet werden – vor 2000 Jahren soll sich rund um das galiläische Städtchen Bethlehem Ähnliches zugetragen haben. Hier, nur 100 Kilometer von der heutigen Stadt Gaza entfernt, kam ein jüdischer Wanderprediger zur Welt, der bedingungslose Nächstenliebe lehrte und zum Begründer der größten Weltreligion wurde. Ohne nachhaltige Folgen, wie es scheint.
Die Geburt Jesu, die vom Christentum als Menschwerdung Gottes gefeiert wird, inspirierte die abendländische Kunst zu großartigen Werken. Die älteste Darstellung von Maria und ihrem Neugeborenen ist in der Priscilla-Katakombe in Rom zu bestaunen, wo die beiden von einem Stern und einem Propheten begleitet werden. Doch die Weihnachtsgeschichte, wie sie von den Evangelien erzählt wird, umfasst weit mehr Episoden – sie beginnt bei der Verkündigung und endet reichlich ernüchternd mit dem Kindermord zu Bethlehem.
Die Schönheit der Kunst soll hier daran erinnern, dass es sich trotz allem lohnt, an die Menschheit zu glauben. Und an den verheißenen „Frieden auf Erden“. Martin Luther King hat diese Zuversicht so formuliert: „Die Botschaft von Weihnachten: Es gibt keine größere Kraft als die Liebe. Sie überwindet den Hass wie das Licht die Finsternis“. Die Zeit wäre langsam reif dafür.
Mariä Verkündigung
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Heute sind es gynäkologische Kliniken, die eine Geburt verheißen können. Im Falle der Jungfrau Maria überbrachte der Erzengel Gabriel die frohe Botschaft von der künstlichen Befruchtung durch den Heiligen Geist. In Botticellis Bild von 1489 fällt Maria vor lauter Schreck fast in Ohnmacht.
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Mariä Heimsuchung
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Maria und ihre nahe Verwandte Elisabeth sind seit einigen Monaten in guter Hoffnung. Die eine wird Jesus zur Welt bringen, die andere Johannes den Täufer. Ein südfranzösischer Meister zeigt die beiden Freundinnen in inniger Umarmung und Freude über den Nachwuchs, der vor ihren Herzen sichtbar ist.
Der Traum Josefs
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Wie bringt man einem Mann bloß bei, dass ihn seine Frau nicht betrogen hat? Richtig, man schickt ihm einen himmlischen Traum! Georges de La Tour hat die vom Evangelisten Matthäus überlieferte Szene in magisches Licht getaucht und lässt den schlafenden Josef von einem Engel – oder gar von Jesus selbst? – aufklären.
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Anbetung durch die Hirten
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Hirten als Vertreter des einfachen Volkes waren die ersten, die im Stall zu Bethlehem das Wunder von Christi Geburt bestaunten. In einem berühmten Gemälde des flämischen Meisters Hugo van der Goes umringen sie gemeinsam mit Engeln das ziemlich verloren auf dem Boden liegende Jesuskind.
Huldigung durch die Heiligen Drei Könige
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Giotto malte 1305 in der Arena-Kapelle von Padua eine meisterliche Anbetung des Jesus-Kindes durch drei „Sterndeuter aus dem Osten“. Um dem verheißenen „König der Juden“ zu huldigen, nahmen sie eine beschwerliche Reise auf sich und wurden im Mittelalter selbst zu „Heiligen Drei Königen“, ohne je offiziell heiliggesprochen worden zu sein.
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Die Beschneidung Jesu
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„Und als acht Tage um waren und er beschnitten werden sollte, gab man ihm den Namen Jesus“, heißt es in der Bibel. Ein mittelalterlicher Steinmetz hat die Szene der rituellen Beschneidung, wie sie im Judentum oder Islam auch heute noch gängige Praxis ist, an der Fassade der gotischen Kirche von Chartres festgehalten.
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Darstellung im Tempel
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Laut jüdischem Brauch galt der erstgeborene Sohn als Eigentum Gottes und musste diesem im Tempel übergeben („dargestellt“) und gegen ein Geldopfer abgelöst werden. Giovanni Bellini zeigt die Szene in Gegenwart des greisen Simeon, dem geweissagt wurde, dass er noch vor seinem Tod den Retter der Welt erblicken werde.
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Flucht nach Ägypten
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Nach der Abreise der drei Magier erschien Josef erneut ein Engel, der ihm befahl, nach Ägypten zu fliehen, weil Herodes seinen Sohn töten wolle. Nach des Königs Tod übersiedelte die kleine Familie sicherheitshalber von Bethlehem nach Nazareth. Eine spätromanische Scheibe zeigt Maria mit dem Jesuskind auf einem weißen Esel.
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Der Kindermord zu Bethlehem
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Peter Paul Rubens hat 1621 dramatisch dargestellt, wie verzweifelte Mütter versuchen, ihre Kinder vor den Soldaten des Herodes zu retten. Dass das Opfern von Menschenleben durch skrupellose Tyrannen bis heute auf der Tagesordnung steht, scheint dieser brutale Abschluss der Weihnachtsgeschichte vorausgeahnt zu haben.
© Peter Paul Rubens