Auf wie viele große Fragen habe ich keine große Antwort! – To be or not to be zum Beispiel, oder gerade jetzt wieder teuflische großpolitische Fragen – etwa die ungelösten, vielleicht unlösbaren Konflikte in den Krisengebieten der Erde, die Pulverfässer und Blutbäder im Nahen Osten! All das Grauenhafte! Ich sitze auf einem Stein, schlage ein Bein über das andere, frage mich, wie man auf der Welt leben soll und kann keinen Rat geben ...
Dazu kommen aber noch zwei kleine Fragen, die mir im praktischen Leben immer wieder gestellt werden und die mich jedes Mal ebenso ratlos zurücklassen. Die eine Frage beim Friseur: „Glatt oder verlaufend?“ Ja, wenn man das wüsste! Hinter meinem Kopf, das ist eine andere Welt!
„Sollen wir auch wuchten?“
Die zweite, noch viel heiklere und geheimnisvollere wie eben jetzt beim Reifenwechsel in der Autowerkstätte: „Sollen wir auch wuchten?“ – „Wuchten?“ Ach Herrjeh, wuchten! Woher soll ich das wissen? Wofür hält mich der Mechaniker? Für einen lebensfähigen Erwachsenen vielleicht? Ja, ich weiß, lieber Herr Mechaniker, ich schaue so aus. Aber man kann in niemanden hineinschauen, auch in mich nicht! Ich frage ihn ja umgekehrt auch nicht, ob ich – trotz der sprichwörtlichen dichterischen Freiheit und obgleich der Dichter bekanntlich kein Gesetz über sich leidet (duldet) – die Consecutio temporis beherzigen soll. Vielleicht würde ich den Mechaniker mit dieser Frage in eine ebenso tiefe Lebenskrise stürzen wie er mich mit seiner: Ich bin ein praktischer Versager! Eine taube Nuss! Ich bin zu nichts nütze!
Nicht nur kann ich meine Haare nicht selber schneiden. Nicht nur kann ich meine Reifen nicht selber wechseln. Ich Elender weiß auch nicht, ob man sie wuchten soll! Ich weiß nicht einmal, was das ist und wofür es gut sein soll: Wuchten! Vermutlich könnte mir der Mechaniker meine Frage nach der Consecutio Temporis nicht beantworten, aber der Schaden hielte sich in Grenzen – für ihn und für die Menschheit insgesamt. Dagegen: Wenn mir in voller Fahrt auf dem Weg zu einer Lesung die Reifen vom Auto davonrollten, weil sie nicht gewuchtet sind ... dann gute Nacht! Tags darauf steht dann in der Zeitung: „Der bekannte und weit über die Grenzen seines blablaba ... am Weg zum Unterkärntner Literaturherbst mit ungewuchteten Reifen blablabla ... wird in der Literaturlandschaft eine Lücke hinterlassen, die blablabla ...“ - Jetzt steh′ ich da und seh′ betroffen: Die Werkstatt zu – und alle Fragen offen ...
Egyd Gstättner denkt quer
Egyd Gstättner