Wie bedrückend können simple Listen und Vorschriften sein, wenn man ahnt, wie viel Perfidie und Menschenverachtung dahinter stecken! An sich wäre die Auflistung von Wiener Garten-, Grün- und Parkanlagen, mit denen die szenische Umsetzung von Heimrad Bäckers „nachschrift“ im Theater Nestroyhof Hamakom beginnt, ganz harmlos. Doch alle diese Erholungsgebiete wurden nur aufgelistet, um am Ende klar zu machen: Dort ist der Aufenthalt für Juden verboten!

„Es genügt, die Sprache der Täter und der Opfer zu zitieren. Es genügt, bei der Sprache zu bleiben, die in den Dokumenten aufbewahrt ist. Zusammenfall von Dokument und Entsetzen, Statistik und Grauen“, hat Heimrad Bäcker (1925-2003) über seine 1986 bei Droschl erschienene „nachschrift“ gemeint. Friedrich Achleitner merkte in seinem Nachwort an: „Ich halte die “nachschrift‘ für ein Hauptwerk der konkreten poesie und darüber hinaus für den Beweis, daß ihre Methoden in einem viel intensiveren Sinne Wirklichkeit vermitteln können als die Methoden der Beschreibung.„

Jüdische Einrichtungen müssen wieder geschützt werden

Die in Kooperation mit der Gruppe Flying Opera erarbeitete Umsetzung als Sprachoper überzeugt und bedrückt zugleich. Wenige Meter von hier befand sich der Leopoldstädter Stadttempel, der im Novemberpogrom, also fast exakt 85 Jahre vor der Premiere am Dienstag, zerstört wurde - und wir sind wieder in einer Zeit, in der jüdische Einrichtungen besonders geschützt werden müssen.

Regisseur Bernd Liepold-Mosser setzt bei dieser Herausarbeitung der bürokratischen Seite des Schreckens nicht auf Illustration, sondern auf Abstraktion. Den Raum dominiert ein Bösendorfer-Flügel, mit dem die Pianistin Clara Frühstück die erstaunlichsten Dinge anstellt. Sie spielt auf ihm Klavier, trommelt, klopft, zupft und klappert. Die Melodie des Lebens erklingt auf ihm ebenso wie der Rhythmus des Todes. Schauspielerin Patricia Aulitzky rezitiert dazu aus Listen, Befehlen, Anweisungen und Verboten und verleiht Tätern wie Opfern immer wieder für Momente Gestalt. Den tiefsten Eindruck hinterlassen die leisen, nüchternen Töne, den schwächsten jene Passagen, in denen der Irrsinn durch Lautstärke und Überzeichnung betont wird.

Aurel Lenferts Ausstattungsidee gibt den passenden Rahmen für die 70 Minuten: ein Wald aus hellbraunen Kartonstapeln, meist im grellen Seitenlicht. Diese Türme können umgeworfen oder umgeschichtet werden. Am Ende verschwindet das Klavier beinahe darunter. Es gerät aus dem Blickfeld. Zum Verstummen kann es aber nicht gebracht werden. „Niemals vergessen!“, lautet die Mahnung an die Nachgeborenen. Diese „nachschrift“ trägt dazu bei.