1. Bob Dylan: "Crossing the Rubicon"
Da der Meister schon längst jenseits jeder Berurteilung liegt und eine Klasse für sich ist, erübrigt sich jede Kritik. Nur soviel: Sein Album "Rough & rowdy ways" ist ein räudiges, bissiges, tapferes und edles Biest, das so viel Kraft und Würde ausstrahlt wie ein Gedicht von Walt Whitman.
2. Lucinda Williams: "Bad News Blues"
Die Americana-Königin lässt mächtig Dampf ab, wütet sich durch privates Ungemach und die desaströse Weltlage und klingt dabei so frisch und knackig, als wäre die Krise ein Lebenselexier. Wunderbar anarchisch, das neue Album "Good Souls better Angels".
3. Muzz: "Summer Love"
Der Interpol-Sänger Paul Bank neigt zu musikalischen Seitensprüngen, und ob dieser neuen Allianz darf der geneigte Hörer gerne Luftsprünge veranstalten. Gemeinsam mit Matt Barrick, Drummer bei den Fleet Foxes, und Gitarrist Josh Kaufman von der Band Bonny Light Horseman liefert Banks auf dem Debütalbum "Muzz" einen psychedelisch angehauchten Sound, der mit feinen Folk-Fäden durchzogen ist. Irgendwo zwischen The Velvet Underground und The Byrds. Schön schräg!
4. Ryan Adams: "I'm Sorry and I love you"
Nach den #MeToo-Vorwürfen war es ruhig geworden um den manisch-genialen Musiker, still und leise ist jetzt das neue Album "Wednesdays" erschienen. Und das Album dürfte wohl der derzeitigen Stimmung von Adams entsprechen: verhalten und dunkelgrau. Doch die fragilen, dünnhäutigen Songs leuchten wie ein gebündelter Lichtstrahl.
5. Shirley Bassey: "Smile"
Sean Connery selig war der beste Bond aller Zeiten - und Shirley Bassey hat natürlich die besten Bond-Songs geliefert. Dass "Dame Bassey" auch schon 83 Jahre jung ist, hört man ihrer mächtigen Stimme - die gleichzeitig berauscht und berührt - nicht an. Und wem bei Shirleys Version von Charlie Chaplins "Smile" nicht das Herz übergeht vor Lachen und Weinen, der hat keines.
6. Wilco: "Misunderstood"
Hochintensiv und tief melancholisch, diese Jeff-Tweedy-Bandbreite war auf der dritten Platte der Supergruppe besonders präsent. Jetzt gibt es das Album aus dem Jahr 1999 in einer üppigen Deluxe-Version mit vielen Zusatztracks. Dass es Tweedy damals gesundheitlich alles andere als gut ging, war schlecht für ihn - und hörbar ertragreich für seine Musik.
7. M. Ward: "I'm a Fool to want you"
Dass der Amerikaner hierzulande noch immer fast ausschließlich Feinschmeckern bekannt ist, wird sich auch mit seiner neuen Platte nicht ändern. Dass der Singer-Songwriter ein wunderbar nebelverhangenes Album nach dem anderen aus der Landschaft schält, ebenfalls nicht. Ein Cover-Album mit Billie Holiday-Songs! Größenwahn? Schon! Aber Ward ist großartig genug, nicht daran zu zerschellen. Schmerzhaft schön!
8. Elvis Costello: "No Flag"
Die Songs von Mister Declan Patrick MacManus waren noch nie Fahnen im Wind, sondern immer gegen den Strich gebürstet. Und egal ob Pup-Punk oder ein Klassik-Zyklus, seine Musik ist und bleibt eine spannende Attraktion. Auch auf dem neuen Album "Hey Clockface" wartet an jeder Ecke eine Überraschung. Vom World-Gospel bis zu ins Dixieland marschiert dieses Kreativkraftwerk. Abgegriffener Satz, aber hier muss er sein: Der (gewundene) Weg ist das (immer lohnende) Ziel.
9. John Coltrane: "Autumn Leaves"
In Insiderzirkeln zirkuliert diese Scheibe schon lange, jetzt ist sie auch (halblegal) im Netz aufgetaucht. Im Jahr 1962 gastierte die Jazz-Legende John Coltrane in Graz - das ORF-Landesstudio Steiermark hat den Auftritt damals mitgeschnitten. Das samtig-explosive Rascheln der "Autumn Leaves" ist einer von vielen Höhepunkten dieses (auch soundtechnisch) grandiosen Zeitdokuments.
10. Bruce Springsteen: "House of a thousand Guitars"
Dass uns "The Boss" gemeinsam mit seiner noch immer äußerst spielfreudigen E-Street-Band heuer einen besonders gelungenen Lieder-Brief geschrieben hat, tröstet über die ausgefallenen Live-Konzerte hinweg. Auf "Letter to you" hat das hochmotivierte Kollektiv klanglich eine Reise in die 80er-Jahre angetreten, ohne in die Nostalgiefalle zu tappen. Die Texte von Springsteen sind alterswehmütig, aber nicht wehleidig. In diesem Haus stimmt alles!
11. Townes van Zandt: "If I needed you"
Hier gibt es nicht viele Worte zu verlieren. Nur so viel: Auf diesem Live-Album ("Somebody had to write it") findet sich eine besonders gelungene Version des Gänsehautsongs "If I needed you". Der Albumtitel ist typisches Zandt-Unterstatement: Jemand musste es schreiben? Nur Größen wie er konnten solche Lieder für die Ewigkeit schreiben!
12. Prince: "Purple Rain"
Apropos Hymnen für die Ewigkeit. Es gibt viele - oft miserable - Live-Mitschnitte des Pop-Genies. Aber "Welcome to America" (2010-2012) ist eine Aufnahme. Und die Version von "Purple Rain" ist zum Niederknien. 13 Minuten und 22 Sekunden lang prasselt der Purpurregen - was für ein beglückender, ekstatischer Guss!