Gemeinsam mit John Coltrane und Sonny Rollins prägte er den Saxofon-Sound des Modern Jazz. Mit Werken wie "JuJu" (1964) oder "Adam’s Apple" (1966) schrieb er Jazzgeschichte. Aber auch mit späteren Alben wie "Alegría" (2003), "Beyond the Sound Barrier" (2005), "Without a Net" (2013) bewies der Amerikaner nach Meinung von Experten, dass er zu Recht den Ruf des originellsten und einflussreichsten Jazzkomponisten der Gegenwart genoss. Für das Album "Emanon" erhielt er 2019 den Grammy für das beste Jazz-Instrumental-Album.

Am Donnerstag verstarb der legendäre Jazzpoet Wayne Shorter 89-jährig in Los Angeles. Ganz bescheiden verfolgte er eigentlich nur ein Ziel, wie er der "Los Angeles Times" einmal bei einem Interview verriet. "Ich möchte, dass meine Musik die Zuhörer dazu bringt, sich zu erinnern, dass sie unsterblich sind." Shorters Philosophie stützte sich auf den Buddhismus, in dem er eigenen Angaben zufolge seit Jahren tief verwurzelt war.

In der Industriestadt Newark (US-Staat New Jersey) bei New York geboren, galt er schon als 16-jähriger Saxofonist in seiner Highschool-Band als "Wunderknabe" des Jazz. Seine Freunde nannten ihn auch in späteren Jahren noch "Wayne the Brain" (das Genie Wayne) – in Anspielung auf die ihm eigene Kunst, aus jedem und allem Ideen zu schöpfen und sie mit seinen Gedanken zu fantasievollen Interpretationen zu verbinden. Er spielte zunächst Klarinette und dann Saxofon. Nach seinem Musikstudium an der New York University verbrachte er zwei Jahre in der US-Armee, wo er mit dem bekannten Jazzpianisten Horace Silver zusammen spielte.

Später schloss Shorter sich der Hardbop-Band Jazz Messengers des Jazzschlagzeugers Art Blakey an, bevor er 1964 Teil des berühmten zweiten Quintetts von Trompeter Miles Davis wurde. Dort war er auch als Komponist aktiv. Seiner Kreativität gelang es, Improvisationen und Kompositionen ähnlich wie bei Charlie Parker und John Coltrane nahtlos ineinanderfließen zu lassen.  Mit einigen seiner Impressionen, darunter "Lester Left Town", "Nefertiti", "E.S.P." und "Footprints", ließ er nach Meinung von Kritikern Coltrane und Parker sogar hinter sich.

Shorters Kompositionen mit ihrer Vorliebe für bestimmte Akkorde böten Solisten weiten Raum für Improvisationen, ohne Kompromisse an Form und Struktur einzugehen, stellte der anspruchsvolle Sender NPR (National Public Radio) vor einiger Zeit fest. Er habe Blakey's Jazz Messengers ebenso beeinflusst wie das Miles Davis Quintet, bescheinigten die Experten ihm, und habe mit seiner gemeinsam mit Wiener Keyboarder Joe Zawinul und dem Prager Bassisten Miroslav Vitouš gegründeten Gruppe Weather Report in den 1970er-Jahren entscheidend zur Gründung des Fusionjazz beigetragen.

Shorters Solos faszinierten mit ihrer Fülle von Ideen, vom harten Bop über Freestyle bis zum Funk, und ihrer Fähigkeit, nach fantasievollen Abstechern mühelos zur tragenden Melodie zurückzukehren. Zu den Höhepunkten seiner Laufbahn gehörte eine Reihe von Duetten mit Herbie Hancock, die in dem Album "High Life" von 1995 festgehalten sind. An Liveaufnahmen hinterlässt er nicht nur "Footprints Live!" aus dem Jahr 2002, sondern auch das im Vorjahr veröffentlichte und mit Terri Lyne Carrington, Leo Genovese und Esperanza Spalding eingespielte Album "Live at the Detroit Festival".