Glaubt man den Einlassungen von Richard Wagners Schusterpoeten Hans Sachs, sind Traum und Kunst aufs engste miteinander verknüpft: Der Traum ist die Quelle, das Fundament, auf der die zivilisatorische Kraft der Kunst aufbaut. Keith Warner fragt in seiner Inszenierung für die Staatsoper, ob sich die Handlung der Oper nicht auch als Wahrtraum Sachsens auffassen lässt, als eine lange Fantasterei, angesiedelt an der Grenze zwischen Vision und Alpdruck, erotischer Sehnsucht und dem Kunstwillen als Sublimierung von Verlangen und Wahn. Ist es also noch ein Traum, oder ist es schon Kunst, dieses Sommernachtsgespinst, an dem hier gewoben wird, nachdem sich der nachtblaue Vorhang gehoben hat?
Keith Warner wirft die zentralen Fragen zwar auf, aber verstellt damit nicht den Blick auf das Satyrspiel, auf all die heiteren Begebenheiten von Wagners Komödie. Denn: Freilich schlägt man sich auch in Nürnberg aus dem nichtigsten Anlass die Schädel ein, was aber nicht heißt, dass es nicht genug zu lachen gäbe. Das ist immer gut gemacht, aber wenig überraschend oder originell: Warners Inszenierung mit ihrem Kobold und ihren Vögeln, einem Beckmesser in Zirkuskostüm und Zitaten aus allen möglichen Epochen wird sich wohl als einigermaßen haltbar erweisen, Blitze der Erkenntnis leuchten nicht darüber. Wie viel Wahn auch im Kunsttraum steckt, wird nur angedeutet: Sachs wird von Doppelgängern und jüdischen Schneidern verfolgt, ein grüner Kobold, der aussieht wie Wagners realer Quälgeist Friedrich Nietzsche, sitzt ihm im Nacken. Und wie das Alter Ego von Hector Berlioz' "Symphonie fantastique" plagen ihn Visionen vom Tod.