Bei der Inszenierung des Zürcher Opernintendanten Andreas Homoki passt ein Blatt Papier zwischen Cio-Cio-San (Barno Ismatullaeva) und ihren amerikanischen Leutnant Pinkerton (Edgaras Montvidas) - und zwar ein gewaltiges, 1340 Quadratmeter großes auf der Seebühne. 300 Tonnen wiegt diese Spielfläche, die sich gleich einem zerknüllten Schriftstück über der Seeoberfläche erhebt. Und doch unterscheidet sich diese, wieder von Michael Levine gestaltete Bühne von den Arbeiten der Vorjahre.
Hier setzt man weniger auf spektakuläre Effekte, denn auf Ästhetik. Wie ein kalter Eisberg erhebt sich das gleich zerknülltem Büttenpapier aus dem See steigende Blatt und bietet doch einen Spielraum, auf dem - zumindest in der ersten Stunde - primär aus Licht Räume entstehen. Dabei streicht Homoki den Aspekt des Culture Clashs hervor, wenn aus der Bühnenwand phallusgleich die US-Flagge aufsteigt als überdeutliches Symbol des Zusammenpralls zweier Welten und ihrer Moralvorstellungen.
Für dieses zurückgenommene Konzept benötigt man mithin Sängerinnen und Sänger, die mit dieser gebotenen Spielfläche arbeiten können. Und mit der usbekischen Sopranistin Barno Ismatullaeva, Hannoveraner Ensemblemitglied, steht Homoki, diese zur Verfügung. Sie schafft mit ihrem Timbre die seltene Mischung aus der jugendlichen Unbekümmertheit der Butterfly und der forcierten Wucht der ihr innewohnenden Kraft. Demgegenüber zieht der litauische Tenor Edgaras Montvidas als ihr Geliebter Pinkerton klar den Kürzeren. Nicht nur die Höhen der Liebe bereiten ihm Probleme. Man fragt sich, ob man mit Butterfly wirklich auf seine Rückkehr hoffen soll, wobei sich Montvidas ohne die auf dem See nötige elektronische Verstärkung dann deutlich besser schlägt.
Die Feuer- oder besser Wassertaufe in neuer Funktion überstanden hat Enrique Mazzola, der in Bregenz zwar bereits den "Rigoletto" dirigierte, aber erst sei kurzem den Titel des Residenzdirigenten trägt. Er führte die Wiener Symphoniker mit einer gewissen Betonung der von Puccini eingearbeiteten "Exotismen" durch den Abend und schreckte auch vor Pathos nicht zurück - genau die richtige Mischung für die Seebühne.
Heuer gibt es 25 Mal die "Madame Butterfly" mit der ungewohnten deutschen Anrede "Madame" anstelle der originalen "Madama" zu sehen. Und wer es aus welchen Gründen auch immer nicht an die Gestade des Bodensees schafft oder von diesen schon wieder zurück ist, der kann am Freitag (22. Juli) in ORF 2 zeitversetzt die zweite Aufführung ab 21.20 Uhr genießen - dann vielleicht in einer vollen Seebühnenfassung und möglicherweise mit Auftritt des Regieteams am Ende, das im Haus auf die Würdigung für eine halbe Inszenierung verzichtete. 3sat folgt dann am 13. August ab 20.15 Uhr, wobei sich hier ab 22.45 Uhr die Dokumentation "Madame Butterfly - Grenzenlose Sehnsucht am Bodensee" anschließt.
"Madame Butterfly" von Giacomo Puccini bei den Bregenzer Festspielen. Musikalische Leitung der Wiener Symphoniker: Enrique Mazzola/Yi-Chen Lin, Regie: Andreas Homoki, Bühne: Michael Levine, Kostüme: Antony McDonald.
Weitere Aufführungen von 22. bis 24. und von 26.- bis 31. Juli sowie von 2. bis 7., am 9., von 11. bis 14., am 16., 17. und von 19. bis 21. August.