Die austro-russische Starsängerin Anna Netrebko hat sich erstmals zur russischen Invasion in die Ukraine geäußert. Sie sei gegen diesen Krieg, schrieb die weltberühmte Operndiva in einer Erklärung auf Instagram. "Ich bin eine Russin und liebe mein Land, aber ich habe viele Freunde in der Ukraine, und der Schmerz und das Leid brechen mir das Herz. Ich möchte, dass dieser Krieg aufhört und die Menschen in Frieden leben können. Das erhoffe ich mir und dafür bete ich."
Netrebkos Ehemann, der aserbaidschanische Tenor Yusif Eyvazov, veröffentlichte eine fast wortgleiche Erklärung auf Instagram. Die beiden betonen, sie hätten sich vor ihrer Stellungnahme etwas Zeit genommen, weil die Situation zu ernst sei, "um sie zu kommentieren, ohne wirklich darüber nachzudenken".
Netrebko und Eyvazov wandten sich zugleich dagegen, "Künstler oder irgendeine öffentliche Person zu zwingen, ihre politischen Ansichten öffentlich zu machen und ihr Vaterland zu beschimpfen". Dies sollte eine freie Entscheidung sein. "Ich bin keine politische Person", erklärte Netrebko. "Ich bin keine Expertin für Politik. Ich bin Künstlerin und mein Ziel ist es, über politische Unterschiede hinweg zu vereinen."
Im vergangenen September hatte die Sopranistin mit einer großen Gala im Kremlpalast in Moskau ihren 50. Geburtstag gefeiert. Bei dem vierstündigen Konzert verlas Kremlsprecher Dmitri Peskow Glückwünsche des russischen Präsidenten Wladimir Putin, der Netrebkos weltweit bewunderte Gesangskunst würdigte. Netrebkos "schillernde Individualität, Ihre fabelhafte künstlerische Darstellungskraft, Ihre in dieser Schönheit und diesem Klang seltene Stimme" begeistere Millionen Menschen in vielen Ländern, meinte Putin.
"Russland ist stolz auf Sie als Vertreterin unserer heimischen Gesangschule", die international Erfolge feiere, hieß es in Putins Glückwunschtelegramm. Der Kremlchef würdigte Netrebko dabei, die ihn schon bei der Präsidentenwahl unterstützte, als "offenen, bezaubernden und gutherzigen Menschen mit einem lebensbejahenden Charakter und einer klaren Position als Bürgerin".
Netrebko hatte sich in politischen und gesellschaftlichen Fragen bereits öfter Kritik eingehandelt. Die schon längere Zeit in Wien lebende Russin, die auch die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, unterstützte 2012 Wladimir Putin vor der russischen Präsidentenwahl und übergab 2014 eine Spende für Künstler in der von pro-russischen Separatisten kontrollierten Ostukraine. Und 2018 sagte sie im britischen Sender Klassik FM, dass in der Klassikszene sexueller Missbrauch nur passiere, wenn er zugelassen werde. Auf Twitter ruderte sie jedoch schnell zurück: "Kein Opfer eines sexuellen Übergriffes ist je schuld", betonte sie.
Zuletzt hatte sich im Westen eine Diskussion um bekanntermaßen putinfreundliche Künstlerinnen und Künstler entsponnen, wobei der Chef des Mariinsky Theaters und Chefdirigent der Münchner Philharmoniker, Valery Gergiev, im Zentrum steht. Die Wiener Philharmoniker luden den 68-Jährigen von einer aktuell laufenden Konzertserie in New York aus, und die Mailänder Scala sowie der Münchener Oberbürgermeister forderten den Dirigenten mit Ultimaten zu einer eindeutigen Stellungnahme auf, die bis dato unterblieben ist. Gergiev, der wie einst Netrebko im Wahlkampf für Putin aktiv war, droht mithin seine Dirigate in Mailand und den Chefposten in München zu verlieren.