Was haben der Eislaufplatz vor dem Rockefeller Centre in Manhattan und Philip Glass gemeinsam? Beide sind 85 Jahre alt. Darum kann man dort zum heutigen Geburtstag des Komponisten beim Pirouettendrehen auch stundenlang Musik des Meisters hören, und für die Auswahl sorgt als DJane keine Geringere als Laurie Anderson.
Mit der Multimediakünstlerin hat Glass genauso zusammengearbeitet wie mit Ravi Shankar, Paul Simon, David Bowie, Brian Eno, Leonard Cohen ... Schwestern und Brüder im Geiste allesamt, im Studio, auf der Bühne. Und einer besonders: Dennis Russell Davies. Sein Landsmann, von 2002 bis 2017 Chefdirigent des Bruckner Orchesters, band Glass stark an Linz, regte ihn zu großer Symphonik an und eröffnete 2013 mit der Uraufführung von dessen Handke-Adaption „Spuren der Verirrten“ das neue Linzer Musiktheater. Russell Davies lässt seinen Freund heute übrigens aus der Ferne im Ars Electronica Center hochleben, gemeinsam mit seiner Gattin Maki Namekawa im Klavierduo (auch im Livestream miterlebbar).
Viele werden mit der Musik von Philip Glass eher im Kino als im Konzertsaal in Berührung gekommen sein – etwa bei Godfrey Reggios zivilisationskritischem Zeitlupen- und Zeitrafferfilm „Koyaanisqatsi“ (1982). Zwar war er schon durch die 1976 in Avignon uraufgeführte Oper „Einstein on the Beach“, seine erste Kooperation mit Regiezauberer Robert Wilson, weltweit beachtet. Aber der damals 42-Jährige traute dem Ruhm noch nicht so recht: „Wenn ich Geld brauchte, ging ich halt zur Taxi-Zentrale, ließ mir die Schlüssel geben und chauffierte Leute durch den Big Apple.“
Trotz seiner Zweifel zählte Glass bald zu den großen Komponisten der USA, bildete mit Steve Reich und Terry Riley das Dreigestirn der Minimal Music. Aber dieser Begriff, den er selbst nicht mag, ist bei ihm ohnehin eine Verkürzung. Denn der Sohn eines jüdischen Plattenhändlers liebte es schon immer maximal: so neugierig, lustvoll, offen, prall wie möglich. Und Glass ist maximal fleißig. „Ich beginne um 8 Uhr und höre – inklusive Essenspausen dazwischen mit der Familie – um etwa 23 Uhr auf“, verdeutlichte Glass einmal dem deutschen Redaktionsdienstleister „Planet Interview“ sein Komponierpensum. Ob das mit 85 immer noch so ist? Laut seinem Kalender ja. Im März wird in Toronto seine 13. Symphonie uraufgeführt. Und schon in elf Tagen feiert seine neue Ballettmusik „Alice“ nach „Alice im Wunderland“ in Straßburg Premiere. Übrigens mit heimischer Beteiligung: Anne Marie Legenstein liefert Bühnenbild und Kostüme, David Haneke Video-Design und animierte Gemälde.
Michael Tschida