"It's Raining Men" - gleich zu Beginn ziehen drei stimmgewaltige "Diven" (Judith Jandl, Hanna Kastner und Daniela Dett) mit Schirmen und Lamettaregen am Bühnenhimmel auf und in den kommenden zweieinhalb Stunden regnet es Hits der 1970er- bis 1990er-Jahre von "Go West" bis "Girls Wanna Have Fun", knallbunte Kostüme - im Fundus ist vermutlich kein einziges Glitzerteil mehr zurückgeblieben -, platte Zweideutigkeiten und homophobe Klischees, aber vor allem gute Laune, Spaß und Farben. Die Diven haben zwar keine Rolle in der Handlung, sind aber die stimmliche Stütze des Musicals.
Das Stück basiert auf dem gleichnamigen Film aus dem Jahr 1994, einem Low-Budget-Überraschungserfolg. Der Travestiekünstler Tick (Karsten Kenzel) holt seinen jungen Berufskollegen Adam (Gernot Romic) und die alternde, frisch verwitwete transsexuelle Diva Bernadette (David Arnsperger) für ein Engagement "außerhalb der Stadt", genauer gesagt in Alice Springs im Herzen des roten Kontinents, mit an Bord. Mit dem klapprigen Tourbus "Priscilla - Königin der Wüste" machen sich die drei auf den Weg tausende Kilometer durchs australische Outback. Unterwegs gabeln sie den Mechaniker Bob (als Gast der frühere Linzer Jugendtheater-Leiter John F. Kutil) auf, zwischen dem und Bernadette sich eine Romanze anbahnt.
Im Outback prallen ihre Lebensentwürfe aufeinander. Transe ist eben nicht gleich Transe: Tick ist verheiratet und hat einen Sohn in Alice Springs, was auch der wirkliche Grund für die Reise ist, Adam ist ein schwules Party-Girl mit Drang zur Selbstdarstellung und Bernadette eine Lady. Dennoch schweißt die Ablehnung, die ihnen in der rauen Wildnis entgegenschlägt, zusammen: Die Frage von Bernadette, ob die Vorstädte Sydneys so hässlich sind, um zu verhindern, dass die Städter ausbüxen oder um die archaische Landbevölkerung aus der Stadt draußen zu halten, ist berechtigt: Outback-Farmer und Bergleute können nicht mit den schrillen Erscheinungen umgehen, die da in der Wüste aufmarschieren, was sich in zahlreichen Beleidigungen, einem beschmierten Bus und einer Beinahe-Vergewaltigung manifestiert.
Die drei müssen feststellen, dass es in der Einschicht nicht nur keine ordentlichen Cocktails gibt, sondern die Einheimischen auch lieber einer betrunkenen Stripperin zusehen, die schlüpfrige Kunststücke mit Tischtennisbällen vorführt, als ihren Gesangseinlagen zu lauschen. Bernadette säuft ganz undamenhaft eine Wirtin unter den Tisch und empfiehlt einer Landpomeranze, sich mit einem Tampon in die Luft zu sprengen - so verschafft man sich hier draußen Respekt. Aber nicht alle haben Vorurteile - die Aborigines, die Touristen mit ihrer Folklore bespaßen, sehen sie als Kollegen, Bob verehrt Bernadette und macht ihr ganz alte Schule den Hof, und letztlich findet Ticks Sohn Papas Shows einfach lustig.
Zum Schluss erfüllt sich auch Adams Traum, im Glitzerfummel den Ayers Rock zu erklimmen, wo noch nie zuvor ein Mensch so gewesen ist. Hier tritt Regisseur Christoph Drewitz, zuletzt verantwortlich für "The Wave", in ein Fettnäpfchen, indem man nicht beim Original-Schauplatz Kings Canyon geblieben ist. Denn der Aufstieg auf den Uluru ist für die Aborigines ähnlich beleidigend wie die verstockte Mann-Frau-Geschlechterdenke für die LGBT-Community - aber dafür gibt es ein fulminantes Finale des gesamten Ensembles unter der musikalischen Leitung von Tom Bitterlich.
Fazit: Das Musical ist eine Ensembleleistung, bunt, schrill, lustig, angereichert mit Australien-Versatzstücken, ein Feuerwerk an Musik, mit etwas mehr Tiefgang als der Film. Die LGBT-Klischeekiste ist zwar übervoll, sie auszumisten hätte aber die Geschichte zerstört. Hauptsache war auch für das Publikum: Wir wollen Spaß nach und vielleicht auch vor den Lockdowns und den haben wir bekommen. Standig Ovations verliehen dieser Freude Ausdruck.