Mit einem zwölf Minuten langen Applaus, Standing Ovations und einem Rosenregen für Anna Netrebko hat das Publikum der Mailänder Scala die Saisoneröffnung mit Giuseppe Verdis Oper "Macbeth" gefeiert. Buhrufe und Pfiffe musste der italienische Regisseur Davide Livermore hinnehmen, der die hochdramatische Oper in einer zeitgenössischen Kulisse inszenierte.
"Macbeths Tragödie spielt nicht im mittelalterlichen Schottland. Der Ehrgeiz und die Brutalität des Protagonisten zeigen sich in einer Angst einflößenden Metropole unserer Zeit oder der unmittelbaren Zukunft. Macbeth und Banco sind Generalmanager in Anzug und Krawatte", kommentierte die Mailänder Tageszeitung "Corriere della Sera" die Inszenierung. Die Protagonisten tragen Kostüme, die von der Mode der 1940er-Jahre inspiriert sind.
"Die Regie Davide Livermores lebt in zwei Dimensionen. Die erste ist die Aufführung, der das Publikum im Theater beiwohnt. Die zweite Dimension wird durch Film und digitale Magie für die Zuschauer von Rai 1 neu erfunden. Dank technologischer Tricks, Videospiele, in Innenräume eingefügte Mikrokameras und virtueller Wände, die sich mit Betonstrukturen überlagern und vermischen, unterscheidet sich das, was man auf der Bühne sieht, zum Teil von dem, was live passiert", kommentierte die römische Tageszeitung "La Repubblica".
Die austro-russische Sopranistin Netrebko, die in einem käfigartigen Lift, Symbol der Macht, tanzt, zeigte sich von der Premiere begeistert. "Es ist eine fantastische, moderne Regie, die mit jeder Aufführung noch besser wird. Es ist eine moderne Show, die die Oper in die Zukunft führt", so die Sängerin. Regisseur Livermore reagierte gelassen auf die Kritik. "Verdi hatte keine Angst vor Buhrufen und Zensur. Wir sind stolz auf die Show. Die Geburt von etwas Neuem ist immer ein wenig schmerzhaft", erklärte der Regisseur.
Mit der Saisoneröffnung feiert die Scala ihren Neustart, nachdem im vergangenen Jahr die traditionelle Premiere gestrichen und mit einem Gala-Abend im Fernsehen ohne Zuschauer im Theater ersetzt worden war. "Das ganze Theater hat mit großem Enthusiasmus an der Premiere gearbeitet. Wir haben alles getan, um die Gesundheit der Scala-Mitarbeiter und der Zuschauer zu garantieren", betonte Scala-Intendant Dominique Meyer.
Zu den Stargästen des Abends zählte der italienische Präsident Sergio Mattarella, dessen siebenjähriges Mandat im kommenden Februar ausläuft. Sechs Minuten lang applaudierten die Zuschauer dem Präsidenten und riefen ihn auf, eine Mandatsverlängerung anzunehmen. Der 80-jährige Mattarella hat jedoch wiederholt betont, dass er zu einer zweiten Amtszeit nicht bereit sei.
Auch der spanische Tenor Placido Domingo wohnte der Aufführung bei. "Es ist gewaltig, hier zu sein. Heute vor 52 Jahren habe ich an der Scala debütiert, das war ein unglaubliches Gefühl. Die Scala ist ein einmaliges Theater und 'Macbeth' eine außerordentliche Oper", sagte Domingo laut Medienberichten vor Beginn der Aufführung.
"Macbeth" wurde bereits viermal bei Scala-Saisoneröffnungen aufgeführt, zuletzt 1997. Mit der diesjährigen Produktion schließt die Scala die Trilogie von Verdis Jugendopern ab, nachdem in den vergangenen Jahren die Saison mit "Giovanna d'Arco" und "Attila" eröffnet wurde. Mit "Macbeth" feierte die Scala am 7. Dezember, Tag des Heiligen Ambrosius, dem Schutzpatron der Stadt Mailand, ihre 70. Premiere. Vor 1951 wurde die Scala-Saison traditionsgemäß am 26. Dezember eröffnet.