1 Ouvertüre. Die Seefestspiele in Mörbisch, der Römersteinbruch in St. Margarethen, das Kammermusikfest Lockenhaus, das Sommerfestival Kittsee, Classic Esterházy, jOpera auf Schloss Tabor, Klangfrühling und Klangherbst in Schlaining ...: Das Burgenland ist Heimat großer Töne. Die größten aber kommen von den musikalischen Lichtgestalten Joseph Haydn und Franz Liszt. Hier ein paar nicht so bekannte Nebensächlichkeiten über den Urvater der Klassik, der zu Lebzeiten populärer als Mozart war, und dem Giganten am Klavier, der wegen seines Genies als „Wiedergänger Mozarts“ apostrophiert wurde.
2 Auftakt. Haydn, als eines von zwölf Kindern eines Wagnermeisters in Rohrau geboren, wurde wegen einer angeblichen Ungezogenheit bei den Sängerknaben entlassen. Maria Anna Liszt wurde von einer Wahrsagerin prophezeit, dass sie 1811, im Jahr des „Großen Kometen“, einen außergewöhnlichen Sohn bekommen würde; Franz blieb ihr einziger. Angeblich soll Ludwig van Beethoven den Zwölfjährigen aus Raiding nach einem Klavierrecital vor Begeisterung auf die Stirn geküsst haben.
3 Espressivo. „Papa“ Haydn, wie er sich selbst nannte, wird bis heute gern als harmloser, pantoffeliger Spießer gesehen. Der eher klein gewachsene, etwas füllige Musiker war allerdings sehr gesellig und humorvoll und ein „Damenmann“, wie man zu seiner Zeit sagte. Liszt wiederum entwickelte sich vom Wunderkind zum Superstar. Er war ein stattlicher Mann von 1,85 Meter Körpergröße mit wallendem Haar und wurde, wo immer er sein Virtuosentum am Flügel demonstrierte, fast hysterisch verehrt.
4 Amoroso. Haydn war 40 Jahre lang kinderlos mit Maria Anna Theresia verheiratet. 1792 klagte er in einem Brief aus London an die glutvolle Sängerin Luigia Polzelli, seine langjährige Geliebte: Seine Frau sei eine „höllische Bestie“ und so streitsüchtig, dass er ihr – um sie zur Räson zu bringen – angedroht habe, überhaupt nicht mehr heimzukommen. Liszt hatte nach dem Tod seines Vaters durch Typhus und einer verbotenen ersten Liebe auch während seiner Ehe mit Anna zahlreiche Affären. Gebildete, exzentrische, oft auch überdrehte Frauen faszinierten ihn.
5 Con dolore. Haydn hatte starke Blatternarben im Gesicht von einer überstandenen Pockenerkrankung als Kind; alle Porträtmaler „retuschierten“ diese später elegant weg. Narben soll auch Liszt gehabt haben, an den Häuten zwischen seinen Fingern, die er angeblich einschnitt, um am Klavier mit seinen ohnehin riesigen Händen noch weiter greifen zu können – eine Legende.
6 Risoluto. „Ich habe zwar einigen Unterricht bei Haydn genommen, aber nie etwas von ihm gelernt“ (Ludwig van Beethoven). „Viel Finger, wenig Gehirn“ (Felix Mendelssohn Bartholdy über Liszt).
7 Giocoso. Sein ihm selbst wichtigstes Werk, die „Kaiserhymne“, spielte Haydn als Ritual täglich mindestens ein Mal am Hammerklavier. Er brachte die Melodie (nach der auch die deutsche Nationalhymne gesungen wird) gar seinem Papagei bei, der sie Besuchern entgegenkrächzte. Der nur in Kolumbien beheimatete Primat Saguinus oedipus wird auf Deutsch Lisztaffe genannt, der Name karikiert die Ähnlichkeit seiner weißen Haarpracht mit jener des Komponisten.
8 Finale. Haydn starb im Mai 1809 – begleitet vom Kanonendonner napoleonischer Truppen, die Wien zu der Zeit belagerten – an Altersschwäche in seiner Wohnung in Gumpendorf. Friedlich. Nur sein Schädel brauchte lang für den ewigen Frieden: Dieser war acht Tage nach der Beerdigung entwendet worden und wurde nach einer regelrechten Odyssee erst 1954 wieder zu den Gebeinen gelegt. Liszt starb im Juli 1886 in Bayreuth an den Folgen einer Lungenentzündung. Auf seinem Grab lagen 130 Kränze aus aller Herren Länder, bei der Totenmesse schlug Anton Bruckner die Orgel.
9 Scherzo. Und damit es nicht zu ernst endet: Wussten Sie, dass beide Komponisten in einer erotischen Geschichte vorkommen? Es gab da nämlich einmal einen Musiker, der war sehr beethövlich und brachte einem Mädchen einen Strauß Rosen mit. Bald wurden die beiden mozärtlich, er nahm sie mit Liszt beim Händel, sie sprangen über den Bach in die Haydn, wo der Schütz Fux und Wolf jagt. Am Schönberg schließlich, nicht weit von Stockhausen, wurden sie noch reger und konnten sich schließlich nicht mehr brahmsen. Neun Monate später bekamen sie ein Mendelssöhnchen und fragten sich: Wohin demith?
Michael Tschida