Krankenschwester hatte sie eigentlich werden wollen. Aber was tat sie? „Sie bricht Herzen und heilt Seelen.“ So fasste einmal ein Laudator die Karriere jener Primadonna assoluta zusammen, die Jahrzehnte lang mit ihrer nachtigallenen Stimme und dem Paprika ihres Temperaments bezauberte. Dank ihrer Trapezakte über schwindelerregende Höhen und Hürden hätte man sie getrost auch Koloraturová heißen können. Sie wurde aber Gruberová genannt. Oder, genauer gesagt, mit dem Bühnen-Adelstitel: die Gruberová.
Am Montag (18. Oktober) ist sie, eine wahre Königin der Oper, im Alter von 74 Jahren in ihrer Wahlheimat Zürich verstorben, wie ihre Familie mitteilte. Ihr für Oktober 2020 geplantes letztes Konzert in Florenz hatte die Sopranistin zuletzt absagen müssen.
Apropos Königin: 1970 riss die Slowakin als tirilierende Königin der Nacht in Mozarts „Zauberflöte“ die Zuhörer in der Wiener Staatsoper erstmals von den Sitzen. Danach gab es dort praktisch nur Standing Ovations, wenn die Paradesängerin, im nahen Bratislava geboren, ihre Paraderollen servierte: Donizettis Lucia di Lammermoor etwa oder Bellinis Elvira aus „I Puritani“. 700 Mal in verschiedenen Rollen und Galas stand die Slowakin auf der Bühne der Staatsoper, zuletzt bei einer Gruberova Gala 2018.
Die Ausnahmesängerin, die selbst die schwierigsten Gesangsrollen und stratosphärische Höhen mit verblüffender Leichtigkeit meisterte, reüssierte natürlich auch auf allen anderen großen Bühnen der Welt. Mailänder Scala, London Covent Garden, Grand Opera Paris, die Opernhäuser in Berlin, Genf, Zürich, Florenz, Madrid, Barcelona...: Egal, wo sie auftrat, eroberte sie mit ihrer unvergleichlichen Belcanto-Kunst die Herzen der Klassikfans im Sturm. Als Violetta in Verdis „La traviata“ Ende der 1980er-Jahre an der New Yorker Met unter Carlos Kleiber hatte sie nach eigenem Bekunden einen ihrer schönsten Auftritte. Und die letzte szenische Rolle sang sie 2009 in einer ihrer Lieblingsstädte, in München – die Königin Elisabetta in Gaetano Donizettis „Roberto Devereux“ an der Bayerischen Staatsoper.
Michael Tschida