Charisma kann man nicht kaufen. Oder sich antrainieren. Das hat man. Riccardo Muti hat es im Überfluss geschenkt bekommen. Der Dirigent ist ein Maestro alten Schlags. Ein Orchesterdompteur mit schwungvoller Frisur, stylish und gesellschaftsfähig, ja Jetset-tauglich. Ein Mann mit der Aura der großen Klassikwelt, ein Künstler mit Temperament und Klasse. Ein herrischer Sechzehnender aus einem langsam verschwindenden Künstlerschlag.
Der dreifache Vater, der seit 1969 mit der Mezzosopranistin Cristina Mazzavillani verheiratet ist, wurde am 28. Juli 1941 als erster von fünf Söhnen in Neapel geboren. Er studierte Klavier, Philosophie, Kompositon und Dirigieren. Letzteres wurde zu seinem Beruf. Nach seinem Erfolg beim Cantelli-Dirigierwettbewerb 1967 ging Mutis Karriere steil nach oben, er wurde Musikdirektor in Florenz, debütierte bei den Salzburger Festspielen und übernahm von der Dirigentenlegende Otto Klemperer das Philharmonia Orchestra in London. Er stieg zu einem der Stardirigenten der Zeit auf, bevor er 1986 die Mailänder Scala von Claudio Abbado übernimmt. Der Beginn einer langen Beziehung, die mit 2005 im Unguten endet. Die Belegschaft hatte den von ihm geförderten Intendantenbewerber Maurizio Meli nicht gewollt.
Muti ist vor allem im italienischen Fach daheim, sorgt sich dort aber auch um Raritäten. Legendär sind seine Bemühungen um die frühe romantische Oper Italiens, um Luigi Cherubini und Gaspare Spontini sowie unbekanntere Stücke von Gioachino Rossini. Bis heute ist er in Sachen Verdi eine Autorität. Kaum jemand dirigiert die Werke Verdis heute mit so viel Gefühl fürs italienische Idiom, mit so viel Feuer, ohne oberflächlich plakativ zu werden. Der Dirigent hat aber auch ein Faible für die „deutschen Meister“, für Schubert, Bruckner, Beethoven und Mozart. Seine eleganten Mozartinterpretationen galten einmal als Nonplusultra, heute klingen aber ein wenig angestaubt, zu glatt, zu gefällig.
Große Feierlichkeiten für seinen 80. Geburtstag plant Muti nicht. Er wolle den Tag im engen Kreis seiner Familie feiern. Den Tod fürchte er nicht, sagte der Dirigent kürzlich dem "Corriere della Sera". Eher die Gegenwart: "Heute dreht sich die Welt so schnell, sie überrollt alles, selbst einfache Dinge, die von tiefer Menschlichkeit sind."
Riccardo Muti bei den Salzburger Festspielen:
Beethoven, Missa solemnis. Wiener Phlharmoniker. 13., 15. und 16. August im Großen Festspielhaus.
Die beiden Konzerte mit dem Chicago Symphony Orchestra am 25. und 27. August mussten abgesagt werden.
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