Die Grazer Philharmoniker und ich, wir sind zusammen alt geworden und doch jung geblieben“, sagt Ádám Fischer. Das Orchester ist seit September 70, er wird im September 72. Am Dienstag (29. Juni) dirigiert der Ungar das Festkonzert zum Jubiläum. Im Musikverein nämlich, für den das Ensemble stets ein wichtiger Partner war – und doch nicht immer. Denn erst nach einer zwischenzeitlichen „Eiszeit“ mit deutlich eingeschränktem Engagement gelang es 2008 dem damals neuen Generalsekretär Michael Nemeth, mit der Oper Frieden zu schließen und die Philharmoniker wieder verstärkt zurück in den Stefaniensaal zu holen.
Die Grazer Philharmoniker nannten sich ja noch bis vor drei Jahren Grazer Philharmonisches Orchester. Dieses war 1950 aus einer Fusion des „Städtischen Orchesters“ und des aufgelösten „Funkorchesters der Sendergruppe Alpenland“ entstanden. Beim Gründungskonzert hatte der Sachse Herbert Albert im Stefaniensaal Beethovens „Eroica“ und die sinfonische Dichtung „Ein Heldenleben“ von Strauss dirigiert.
Bald erstarkten die Philharmoniker als „Hausorchester“ zum Fundament der Grazer Oper. Die großen Werke der Opernliteratur wurden zu deren Fixrepertoire, man bot Entdeckungen mit Raritäten, spielte Operette, Ballett, Musical und wurde etwa mit Gastspielen von Barcelona über Nairobi bis Taipeh zu Botschaftern des heimischen Musiklebens.
Japanerinnen, Russinnen, Bulgarinnen, Polen, Italiener, Griechen, Koreaner...: Heute sind die rund 90 Mitglieder der Grazer Philharmoniker, die übrigens (ohne Zulagen) zwischen 2400 und 3700 Euro verdienen, ein klingender Vielvölkerstaat, angeführt seit dem Vorjahr vom Sachsen Roland Kluttig (53), dessen Vorgängerreihe imposant ist: Oksana Lyniv, Dirk Kaftan, Johannes Fritzsch, Philippe Jordan, Mario Venzago, Nikša Bareza, Berislav Klobučar.
Sie alle waren und sind nicht nur für Klang und Artikulation, Tempo und Dynamik bei den Grazer Philharmonikern zuständig, sondern quasi auch für die Demokratie und den Zusammenhalt in diesem Vielvölkerstaat, denn schon Robert Schumann wusste: „Wenn alle die erste Geige spielen wollen, kommt kein Orchester zusammen.“ In diesem Sinne: Weiterhin phil Harmonie! Und ad multos annos – drei, vier, fünf Mal 70 Jahre oder so!
Michael Tschida