Als hätte Texter Tom Holloway die Corona-Debatten vorausgeahnt, setzt er in „Singularity“ verchipte Menschen auf die Bühne. Während sie mit Emojis stammeln, kommunizieren ihre Implantate, dargestellt von schwarz gewandeten Doubles, unabhängig vom Willen ihres Menschen. Bis es zur Katastrophe kommt. Das letzte Update geht schief, die Menschen sind gleichgeschaltet. Von ihrer Singularity, also Einzigartigkeit, bleibt nur ein großes Kollektiv.
Eigentlich wollte Miroslav Srnka eine komische Oper schaffen. Die Nähe zu real existierenden Schwundstufen menschlicher Existenz aber erstickt jedes Lachen. Das Endspiel der vier auf ihre technischen Fähigkeiten reduzierten Figuren goss der junge Tscheche in eine zerklüftete, floskelfreie Partitur: intensive, aber seelenleere Musik.
Die acht grandiosen Sänger des Münchner Opernstudios, vier Personen und ihre Doubles, hauchten dem technoiden Stück so viel Leben ein, wie es die Vorlage gestattet. „Loser“ sind sie allesamt, die sich Trostdrohnen halten, um wenigstens am willfährigen Gerät irgendeine Empfindung praktizieren zu können, Verzweifelte, denen jeder Begriff für ihren Zustand abhandengekommen ist.
Srnka braucht für sein futuristisches Panoptikum nur ein 15-köpfiges Orchester. Der erst 25-jährige Patrick Hahn, demnächst auch wieder bei „Heimspielen“ in Graz zu erleben, führt das Klangforum Wien ruhig und souverän durch die fein ziselierte Partitur, als hätte er bisher nichts als Neue Musik auf seinem Pult liegen gehabt.
Nicolas Brieger kommt für seine kurzweilige Regie mit analogen Requisiten und der Spiellust seiner Truppe aus. Im wurmstichigen Universum, das Raimund Bauer für ihn baute, kehrt er die Utopie von der Rettung der Menschheit durch Elektronik in ihr Gegenteil. Die Dystopie vom selbst verschuldeten Untergang der Menschheit fand großen Anklang.
Thomas Götz