Wie geht es Ihnen nach diesem schwierigen Jahr voller Lockdowns?
CAMILLA NYLUND: Ich kann es nicht erwarten, dass man wieder vor Publikum singen darf. Mein letztes Konzert war letzten Oktober in Italien.
Wie haben Sie die Zeit der abgesagten Auftritte verbracht?
Im ersten Lockdown war ich wie erstarrt und wochenlang zu Hause in Dresden. Dann habe ich mit meinem Pianisten einige Rollen und Lieder einstudiert, und im vergangenen Juni hatte ich mein erstes Konzert nach wochenlanger Pause an der Wiener Staatsoper, auch gemeinsam mit Helmut Deutsch, wie jetzt wieder in Graz. Danach hatte ich zum Glück regelmäßig zu tun und war im September abermals in Wien, wo ich an der Wiener Staatsoper als Chrysothemis in der „Elektra“ von Strauss debütiert habe. Ich freue mich, dass ich das am 22. Juni wieder singen werde.
Sie sind oft in Österreich. Was bedeutet dieses Land für Sie?
Österreich ist meine künstlerische Heimat, auch weil ich in Salzburg studiert habe. Ich habe 2005 als Leonore in Beethovens „Fidelio“-Urfassung im Theater an der Wien und kurz darauf als „Salome“ von Strauss an der Wiener Staatsoper debütiert. Und schließlich bin ich seit 2019 auch österreichische Kammersängerin.
In Ihrem Konzertprogramm im Grazer Musikverein singen Sie Lieder von Jean Sibelius, Gustav Mahler, Richard Strauss und erstmals auch von Antonín Dvořák. Wie kommt das?
Das wollte ich schon vor zwei Jahren machen, aber es ging sich zeitlich nicht aus. So wird das nun meine Premiere in Graz werden, wo ich auch schon als junge Sängerin gesungen habe. Und natürlich wollte ich Jean Sibelius als Komponist meiner Heimat im Programm, und auch Helmut liebt dessen Lieder. Strauss ist mein absoluter Lieblingskomponist, weil ich viele seiner Opernrollen verkörpere und seine Lieder wunderschön finde. Lieder von Mahler habe ich bisher kaum gesungen, und sie waren eine große Entdeckung für mich, und sie passen auch gut zu meiner Stimme. Mahlers Lieder spiegeln für mich die österreichische Seele wider.
Was sind Ihre nächsten Pläne?
Ich werde mit André Heller und dem RSO Wien unter der Leitung von Marin Alsop an einem neuen Projekt über „The Great American Songbook“ arbeiten. Wir haben einander 2019 in Berlin kennengelernt, als er den „Rosenkavalier“ an der Staatsoper unter den Linden inszeniert hat und ich die Feldmarschallin gesungen habe. Während des ersten Lockdowns hat er mich angerufen und zu einem „Hauskonzert“ eingeladen, das der ORF produziert hat. Da konnte ich auch Operetten und Chansons singen und verschiedene Facetten meines Könnens zeigen. Das hat großen Spaß gemacht und so wollen wir wieder etwas gemeinsam machen. Dann werde ich im Herbst als Puccinis „Tosca“ an der Finnischen Nationaloper in der Regie von Christoph Loy debütieren, das ist erst meine vierte italienische Partie. Und 2022 folgt endlich Wagners „Isolde“ am Opernhaus Zürich in einer Inszenierung von Claus Guth unter der Musikalischen Leitung von Gianandrea Noseda, dem neuen Generalmusikdirektor.
Sie unterrichten auch und geben Meisterkurse am Opernstudio der Wiener Staatsoper. Machen Sie das gern?
Opernsängerin ist ein Beruf, in dem man ständig lernt. Das vermittle ich auch meinen Studierenden und es macht mir Spaß, jungen Menschen zu helfen. Aber noch habe ich selbst viel auf der Bühne zu geben.
Sie sind mit dem holländischen Tenor Anton Saris verheiratet. Wie gestaltet sich ihr gemeinsames Leben?
Wir verstehen einander natürlich gut in dem, was wir sängerisch brauchen. Und ich bin ihm sehr dankbar, dass er mich immer unterstützt hat in meiner Karriere. Umso mehr freue ich mich, wenn wir gelegentlich zusammen auftreten können, das haben wir auch im Sommer vor. Da werden wir einige Konzerte in Südtirol und Bayreuth geben.
Barbara Freitag