„The show must go on(line)!“ Das Haus styriarte bleibt seinem trotzig ausgegebenen Motto weiterhin treu. Also der Idee: Wenn schon das Publikum nicht zu uns kommen kann, dann kommen wir eben zum Publikum. Nämlich mittels frei (oder gegen Spenden) nutzbarer Konzertfilme, die über den eigenen Stream und via Youtube unter das klassikhungrige Volk gebracht wurden und werden. Das war schon bei der für die Meerschein-Matineen gedachten „Telemannia“ von Georg Gratzer und Klemens Bittmann so. Bei zwei märchenhaften Einladungen des Orchesters recreation – hier mit Mei-Ann Chen, die unter anderem Nikolai Rimski-Korsakows „Scheherazade“ dirigierte, da mit Giedre Slekyte, die bei Engelbert Humperdincks „Hänsel und Gretel“ am Pult stand. Und zuletzt auch bei Meister Jordi Savall, der mit recreationBarock, Chor und Solisten Bachs im Grazer Stefaniensaal „Weihnachtsoratorium“ vor Kameras und Mikrophonen einspielte und das dann rund um die Feiertage in drei Teilen zu hören und zu sehen war.
Diesmal begab man sich quasi auf fremdes Terrain. Allerdings nur örtlich. Zwei von sechs „Pariser Symphonien“ Joseph Haydns (Nr. 82 und Nr. 83) wurden nämlich in der Aula der Alten Universität aufgezeichnet – nach gewissenhaften Testungen von Künstlern, Technikern und Betreuern. Die beliebte Veranstaltungslocation, für ein Orchesterkonzert in der Größenordnung wie diesmal inklusive Publikum sonst wohl ungeeignet, erwies sich optisch als bestens ergänzender Rahmen, stammt sie doch in ihrer jetzigen Form samt der Secco-Dekorationsmalerei von Joseph Gebler aus ziemlich genau derselben Entstehungszeit wie die beiden Symphonien. Und auch akustisch passte es, sofern man das via Technikeinsatz am Ort und daheim am Computer beurteilen kann.
Die Nr. 82 aus Haydns Pariser Symphonien-Zyklus wurde am Sonntagnachmittag (31. Jänner) als erste im Stream freigeschaltet. Stefan Gottfried, seit dem Ableben Nikolaus Harnoncourts 2016 ja Leiter des Concentus Musicus Wien, zeigte gleich im Eingangssatz, wie er das Werk aus 1786 durchmessen will: konzentriert und doch frisch. Dieser Zugang blieb über die gesamten 30 Minuten der vier Sätze aufrecht - von tänzerischer Eleganz bis zum tapsenden, brummenden Finale, das dem festlichen, heiteren C-Dur-Opus zum (nicht von Haydn gegebenen) Beinamen „L’ours“/„Der Bär“ verhalf
Über acht Kameras und einem Kamerakran für die Vogelperspektive konnte man den rund 35 Musikerinnen und Musikern um Konzertmeister Wolfgang Redik beim leidenschaftlichen Interpretieren nicht nur über die Schulter, sondern sogar auf die Pulte blicken. Das Team reziprok von Roland Renner lieferte wieder geschickte Nahaufnahmen und Gesamtbilder, die man am kommenden Sonntag (7. Februar, 16 Uhr) erneut genießen kann, wenn bei Symphonie Nr. 83 anstelle eines Bären „La poule“ / „Das Huhn“ die Bühne betritt.
Michael Tschida