Herr Kenda, Sie haben Ihr nächstes Projekt mit Ihrem chor pro musica graz bereits auf kommendes Jahr verschoben. Sind unter den derzeitigen Umständen Konzerte für Sie nicht sinnvoll?
GERD KENDA: Wir haben unser für Juni geplantes A-cappella- Programm um ein Jahr verschoben. Aber deswegen, weil wir am 8. Dezember 2020 ein Chor- Orchesterkonzert mit Johann Sebastian Bachs „Magnificat“ und dem ersten Teil von Georg Friedrich Händels „Messias“ in der Helmut-List-Halle planen und bei Haydns „Schöpfung“ im März 2020 im Stefaniensaal mitwirken, sofern es die Umstände zulassen werden.
Wie bleibt man während der auftrittsfreien beziehungsweise probenfreien Zeit in Übung?
GERD KENDA: Wir haben wegen der ausgefallenen Proben im Frühling Übungs-CDs für Bachs „Magnificat“ angekauft und den Chormitgliedern nach einer Leseprobe Anfang Juli zum Selbststudium über den Sommer mitgegeben. Ich habe auch schon Ende März ein Einsingvideo aufgenommen und hoffe, dass diese Angebote von den Sängerinnen und Sängern bis zum Probenbeginn Mitte September angenommen worden sind.
Viele schätzen am Chorgesang gerade auch die Gemeinschaft. Gibt es Möglichkeiten, diese in solchen Zeiten aufrechtzuerhalten?
GERD KENDA: Da es den Chor schon seit 40 Jahren gibt, haben sich viele Freundschaftskreise gebildet, die in Zeiten wie diesen natürlich besonders gepflegt werden. Im Vorstand sind wir regelmäßig in Kontakt über die Möglichkeiten des Probebetriebes ab Herbst. Es gibt seit Mitte Mai auch eine Whatsapp-Gruppe namens Chorersatzprogramm, wo sich einige Leute donnerstags – das ist unser regulärer Probenabend – in einem Lokal zum „socializing“ treffen. Ich habe auch schon mit zehn Sängern Anfang Juli mit Männerchören von Schubert beim Programm „Mondnacht“ der styriarte im Schloss Eggenberg mitwirken können. Dafür haben wir seit Anfang Juni mit Abstand geprobt.
Chorsänger stehen ja sehr eng zusammen, und man stellt sich regelrecht eine Aerosol-Wolke vor, wenn der Chor in Aktion tritt. Gibt es eigentlich wissenschaftlich stichhaltige Untersuchungen zur „Gefährlichkeit“ vom Chorsingen?
GERD KENDA: Nach Studien der Charité Berlin und der Universität Freiburg über die Auswirkungen der Aerosolwolke beim Singen ist fürs Chorsingen vor allem die Studie des Bayrischen Rundfunkchores für uns relevant, weil sie Abstandsregeln seitlich von 1,5 Metern und nach vorne von 2,5 Metern empfiehlt. Wir haben das Glück, einen großen Probenraum benützen zu können. Der hat 180 Quadratmeter, und wir haben diese Abstände bei unserer Leseprobe Anfang Juli erfolgreich testen können.
Fürchten die Sänger selbst um ihre Gesundheit?
GERD KENDA: Zu dieser Probe Anfang Juli sind einige wenige Sänger nicht gekommen, weil sie sich oder Angehörige zur Risikogruppe zählen, was für mich natürlich nachvollziehbar ist. Wir hatten ja schon in der ersten Woche des Lockdowns einen Coronafall eines Chorsängers und waren froh, die für 12. März geplante Probe auf Empfehlung eines Arztes kurzfristig abgesagt zu haben.
Oft singen ja Ältere gern in Chören mit, die zu den sogenannten Risikogruppen gezählt werden. Könnte es da mittelfristig einen Rückgang bei der Bereitschaft zum Chorsingen geben? Würden damit für Laienchöre schwerere Zeiten anbrechen?
GERD KENDA: Das kann ich derzeit überhaupt nicht abschätzen. Bei der schon zuvor erwähnten Probe Anfang Juli waren unser ältestes Chormitglied, das zur Generation 70 plus zählt, jedenfalls dabei. Ich habe aber schon andere Chorleiter getroffen, die gesagt haben, wenn es im Herbst nicht weiter geht, werden wir unsere Chöre verlieren. Ich denke aber, dass es einen musikalischen Instinkt und eine starkes Gruppengefühl gibt, der unseren Chor noch lange zusammenhalten wird.
Hat der Chor von einem der Corona-Hilfsprogramme profitieren können?
GERD KENDA: Da bei unserem Chor alles seit jeher ehrenamtlich ausgeübt wird, hatten wir weder Kosten noch Verdienstentgang und können mutig und mit großer Freude unsere nächsten Projekte planen.