Es war die erste analoge Pressekonferenz im Kulturbereich seit Langem: Im Schachbrettmuster saßen Mitarbeiter aus dem Haus styriarte und Medienleute gestern im Palais Attems an Einzeltischen, um zu hören, was Mathis Huber und recreation die kommende Saison planen. „Wir haben uns auf die Fahnen geschrieben, dass es nach Zeiten der Absagen nun wieder Zeiten für Ansagen ist“, schickte der Chef der Steirischen Festspiele voraus. Nischen, die Corona lasse, wolle man sofort wieder besiedeln.
Das tat man bereits unter anderem mit der Uraufführung von Gerd Kührs „Corona-Meditation“ mit 60 Pianisten weltweit im Kollektiv via Live-Stream. Oder mit der Serie „recreation in Quarantäne“, in der sich Kleingruppen charmant im Netz präsentierten. Oder sogar schon wieder analog, denn recreation-Mitglieder spielten am 14. Mai im Quartett ein Balkonkonzert für das Seniorenhaus St. Christophoros in Graz-Ragnitz.
Seit 16. März hatte wie anderswo auch bei der styriarte Stillstand geherrscht, das Festival „Psalm“ fiel ebenso aus wie etliche Konzerte des Großen Orchesters Graz. Diesen Stillstand habe man genutzt, sagt Huber, „uns ist nicht fad geworden“ bei den Überlegungen zum nahenden Festival styriarte und der Orchestersaison ab Herbst, und dabei hätte es „eines gewissen Optimismus gebraucht, weil man ja nicht weiß, ob und wie Veranstaltungen stattfinden werden“.
Huber und die Seinen hielten die Pressekonferenz gestern (15. Mai) zur selben Zeit, als Ulrike Lunacek zurücktrat und die Regierung neue Lockerungen für die Kulturszene bekanntgab. Unabhängig davon versprach Huber, dass die styriarte ab Juli „fix beginnt“. Und nach der Ankündigung von Gesundheitsminister Michael Anschober über die Bedingungen für Veranstaltungen ab Ende Mai schickte die styriarte noch eine Aussendung nach, dass der verloren geglaubte Juni-Termin von recreation nun doch noch stattfinden kann – in neuer Form. „Wunschkonzert“ nennt sich der passenderweise, am 8. Und 9. Juni sollten Olga Chepovetsky (Klavier) und Herbert Walser-Breuß (Klappentrompete) mit dem Orchester unter seinem Konzertmeister Wolfgang Redik auf der Stefaniensaal-Bühne stehen. Details folgen.
Überraschender Pre-Start für das Orchester also vor dem eigentlichen Start im Oktober, auch wenn der hypothetische Charakter bleibe, bis sich die Veranstaltungsbedingungen endgültig klären, wie Mathis Huber sagt. Darum gibt es ab nun schon den Folder mit den festgelegten Terminen 20/21, aber erst ab 1. September den Kartenvorverkauf.
Neun große Doppelkonzerte bietet man in der kommenden Spielzeit an. Möglichst gendergerecht verteilt, wie es bei recreation schon länger üblich ist. Mei-Ann Chen aus Chicago, die Erste Chefdirigentin des Grazer Orchesters, ist drei Mal im Einsatz: Bei „Scheherazade“ mit Rimski-Korsakow und Rachmaninow im Zentrum, bei „Bilder einer Ausstellung“ mit Mussorgskis (8./9. Februar) und bei einem rein tschechischen Abend mit dem naheliegenden Titel „Moldau“ (19./20. April). Als Kolleginnen reihen sich ein: die Litauerin Giedrė Šlekytė, die musikalische „Weihnachtsmärchen“ unter anderem von Engelbert Humperdinck serviert (14./15./16. Dezember). Und die Römerin Daniela Musca, die die dritte Symphonie von Brahms dirigiert und bei Mozarts Klavierkonzert Nr. 19 den Lokalmatador Philipp Scheucher als Solisten zur Seite hat (10./11. Mai).
Zudem sind drei Herren im Einsatz, „die nachgewiesenermaßen hohe Kompetenz in historischer Aufführungspraxis haben und sich mit dieser auch ins Profil unseres Orchesters hineingeschliffen haben“, wie Huber lobt. Der frühere Chefdirigent Michael Hofstetter bringt zum Saisonauftakt Beethovens „Fünfte“ mit (12./13. Oktober). Stefan Gottfried, Nachfolger von Nikolaus Harnoncourt am Pult des Concentus Musicus, lädt zu „Pariser Sinfonien“ (18./19. Jänner). Andreas Stoehr leitet Haydns Oratorium „Die Schöpfung“. Und den Schlusspunkt setzt man wieder mit der „hauseigenen“ Kraft Redik, aber nicht nur: Der Konzertmeister leitet ein Streicherwerk von Grieg, der deutsche Paradehornist Christian Binde eine Bläserserenade von Dvorak, ehe man gemeinsam Schuberts „Fünfte“ angeht.
Auch unter den vier Abenden von recreationBarock, darunter Bachs Weihnachtsoratorium“ mit Jordi Savall, fällt etwas auf: „Ja, wir bringen mehr Hits und große Nummer“, bestätigt Huber, „das ist mit der Publikumsumschichtung begründet, die mit der Coronakrise wohl zu erwarten ist. Es wird sicher nicht wenige aus unserem Stammpublikum geben, die große Menschenmengen künftig scheuen werden, damit müssen wir rechnen. Schließlich ist der Altersschnitt bei uns nicht 16, sondern eher 60“. Für diese Zeit des Übergangs wolle man populärer programmieren, um frische Gäste anzulocken.
Huber dankte am Ende Georg Wolf-Schönach für die stabile Partnerschaft, für den wichtigen „Pflock in der Erde“ gerade in unsicheren Zeiten. Dessen Krentschker Bank ist ja sein rund 17 Jahren Sponsor von recreation. Für den Vorstandsvorsitzenden, der demnächst in Pension geht, war das Sponsoring nicht nur nur ein Geschäfts-, sondern auch ein Herzensprojekt, wie er bei der Pressekonferenz betonte, für das man sogar drei Mal den „Maecenas“-Preis gewinnen konnte. Und Schönach verwies in diesen wirren Virenzeiten voller Unabwägbarkeiten auf den Namen des Orchester: „recreation – Wiederauferstehung, das ist ja fast Programm“.
Michael Tschida