Als ich über dem Tor die Inschrift „Arbeit macht frei“ sah, habe ich mich gefreut. Vor Arbeit habe mich ja nicht gefürchtet ...“ Das erzählt Zofia Posmysz über ihre Ankunft in Auschwitz, wo sie von Mai 1942 bis Jänner 1945 interniert war, nachdem sie als 18-Jährige einen Schulunterricht im Untergrund besucht hatte und die Gestapo Flugblätter bei ihren Kollegen entdeckt hatte.

„Mich hat Auschwitz aber nie verlassen“, sagt die 96-jährige Krakauerin heute noch, auch wenn sie als Schriftstellerin das Unfassbare für sich und andere fassbar machen wollte. Vor allem in ihrer autobiographischen Novelle „Pasażerka" (1962), in der die Diplomatengattin Lisa in den 50ern auf der Überfahrt nach Brasilien von ihrer Vergangenheit als KZ-Aufseherin eingeholt wird, als sie die ehemalige Lagerinsassin Martha an Bord entdeckt.

Zofia Posmysz, geboren 1923 in Krakau
Zofia Posmysz, geboren 1923 in Krakau © Youtube/Paweł Rybkowski


Mieczysław Weinberg (1919–1996), dessen Familie von den Nazis getötet worden war, entwickelte aus der dramatischen Geschichte aus dem Blickwinkel der Täterin 1968 seine Oper „Die Passagierin“, die allerdings erst 2010 bei den Bregenzer Festspielen mit Teodor Currentzis am Pult und in der Regie von David Pountney ihre szenische Uraufführung erlebte. Nach einem Gastspiel der Frankfurter Oper 2016 bei den Wiener Festwochen ist das Werk ab 14. März nun auch in Graz zu erleben. „Es ist ein aufwühlendes, erschütterndes Plädoyer für Menschlichkeit“, betonte Intendantin Nora Schmid, die der Presse nicht nur die Produktion, sondern mit Kooperationspartnern auch ein umfassendes, hochinteressantes Rahmenprogramm dazu vorstellte.

Komponist Mieczysław Weinberg (1919–1996)
Komponist Mieczysław Weinberg (1919–1996) © KK


Das verantwortet zum Großteil Marlene Hahn. Die 34-jährige deutsche Dramaturgin besuchte dazu Zofia Posmysz, die auf dem seinerzeitigen Warschauer Gettogelände wohnt. Es wurde zu „einer berührenden Begegnung mit einer Frau, die trotz allem, was sie durchmachte, wirklich an das Gute im Menschen glaubt“, sagt Hahn und schwärmt mit Hausherrin Schmid zugleich davon, wie in allen Beteiligten rund um die Hauptdarstellerinnen Dshamilja Kaiser (Lisa) und Nadja Stefanoff (Martha) das Herzblut für das Projekt pocht.

Die „Hymne an den Menschen“, wie Dmitri Schostakowitsch die Oper seines Freundes Weinberg lobte, erhält in Graz vielstimmige Begleitmusik. Stadtrundgänge des Geschichtsvereins Clio führen zu Orten von Opfern und Tätern. Der Verein für Gedenkkultur erinnert mit Stolpersteinen vor der Oper an die Schauspielerin Hertha Heger, die Sopranistin Ella Flesch und den Pianisten Fritz Jahoda. Im Haus selbst zeigt man vier Ausstellungen: über Leben sowie Werk von Zofia Posmysz (Kooperation mit der Adenauer-Stiftung Warschau), über die Geigerin Alma Rosé, die das Frauenorchester in Auschwitz gründete (Haus der Geschichte Wien), und über die NS-Zeit in der Steiermark, etwa das Lager Liebenau (Ludwig-Boltzmann-Institut Graz).

Das Rechbauerkino bietet Andrzej Munks in Cannes prämierten Film über Posmysz sowie den Stummfilm „Die Stadt ohne Juden“ samt Live-Musik von Olga Neuwirth und Lesung von Cornelius Obonya. „Friede auf Erden“ mit Musik von Strawinsky und Schönberg und Sunnyi Melles als Sprecherin, ein Kammerkonzert, ein Operncampus und Gespräche im Anschluss an Vorstellungen runden das dichte Begleitprogramm ab.

Was davon nach dem 3. April, dem vorläufigen Ende der generellen Vorstellungsabsagen, stattfindet, entnehmen Sie bitte aktuellen Informationen der Oper oder unserer Zeitung.