Es ist schon verwunderlich, dass Jules Massenets Märchenoper „Cendrillon“, deren Uraufführung 1899 in Paris ein Riesenerfolg war und die auf Charles Perraults zauberhaftem Märchen vom Aschenputtel basiert, in unseren Breiten kaum mehr aufgeführt wird. Und das, obwohl die Opernrarität über wunderbare Musik, impressionistische Feenklänge und funkelnde Arien verfügt.

Man darf sich also freuen, dass „Cendrillon“ im Stadttheater Klagenfurt zu hören ist – noch dazu, wenn so zauberhaft gesungen wird wie von Angela Brower in der Titelrolle. Bei ihr kontrastieren immer wieder Verzweiflung und Euphorie, bei ihr wechseln sich dramatische Aufschreie mit duftig leichten Glückskoloraturen ab und ihr Gesang verschmilzt mit ihrer zutiefst berührenden Darstellung. Ihre Stimme harmoniert auch wunderbar mit jener von Virginie Verrez, die die Hosenrolle des Märchenprinzen mit warmem und kraftvollem Mezzo gestaltet. Und so erklingt ihr Liebesduett einfach herrlich.

Mutter-Witz

Die hartherzige Stiefmutter Madame de la Haltière singt Agnes Zwierko mit reifem Timbre und spielt sie mit köstlichem Witz. Sie und ihr Mann haben immer wieder die Lacher auf ihrer Seite. Die dankbare Rolle des sympathischen, um seine Tochter besorgten, aber gegenüber der beherrschenden Frau machtlosen Pandolfe erfüllt Marian Pop in Spiel und Stimme sehr gelungen.



Ideal singen auch die beiden Stiefschwestern Keri Fuge (Noémie) und Feride Büyükdenktas (Dorothée). Die funkelnden Triller und Koloraturen über einen Umfang von drei Oktaven sind für jeden Koloratursopran eine große Herausforderung: Ola Dyadiv als Fee meistert sie mit Leichtigkeit. Karl Huml fällt als König mit prächtigem Bass auf. Auch die kleineren Partie gefallen wie auch der vokal sehr präsente, spielfreudige Chor (Einstudierung: Günter Wallner).

Zauber aus dem Graben

Jules Massenet ist ein Meister der vielen Zwischentöne. Diese weiß auch das Kärntner Sinfonieorchester unter Nicholas Carter feinsinnig, duftig und leicht zu betonen. Besonders in den impressionistisch klingenden Feenmusiken wird zauberhaft musiziert.

Stimmig ist auch die szenische Umsetzung mit Jugendstil-Projektionen von typischen Häusern der Entstehungszeit der Oper, der Belle Epoque, im sogenannten Nancy Stil – jener französischen Stadt übrigens, mit deren Opernhaus das Stadttheater diese Kooperation eingegangen ist: Sie verändern sich und lassen wie bei einer Traumreise neue Räume mit Ornamenten und schwebenden, skurrilen Gebilden auf das Publikum zukommen. Kulissen öffnen sich und geben geheimnisvolle Plätze (Bühne: Paul Zoller und Loriana Casagrande) frei. Vision und Realität verschwimmen. Illusionen entstehen und werden immer wieder gebrochen.

Wechselbad der Gefühle

Mit suggestivem Licht und präziser Personenführung zaubert Regisseur David Hermann viel Poesie, reiche Emotionen und ein Wechselbad der Gefühle auf die Bühne. Aber auch der Witz kommt nicht zu kurz. So lässt der deutsch-französische Regisseur die möglichen Heiratskandidatinnen für den Prinzen auf dem Laufsteg als Models einherschreiten und agieren. Die Fee und ihre Geister kommen aus dem Obdachlosenmilieu, schlurfen in Lumpen und Plastiktüten über die Szenerie und zaubern das Ballkleid für Aschenputtel aus einem dampfenden Kessel in der Mitte eines Einkaufswagerl. – Großer Jubel!