Die inzwischen über 50 Jahre alten Osterfestspiele Salzburg sollen nach 2022 eine ordentliche Frischzellenkur verpasst bekommen: Die Verträge mit dem künstlerischen Leiter Christian Thielemann und der Sächsischen Staatskapelle Dresden werden nicht mehr verlängert.
Der designierte Intendant Nikolaus Bachler möchte das Festival auch um andere Genres, etwa Ballett oder Jazz, erweitern. Die Gesellschafter der Salzburger Osterfestspiele (Land und Stadt Salzburg, Salzburger Land Tourismus, Karajan-Stiftung und Förderer) haben Dienstagvormittag das monatelange Tauziehen zwischen Thielemann und Bachler beendet, den sie dem Dirigenten ab 2020 als kaufmännischen Chef und ab 2022 auch als Intendanten zur Seite gesetzt haben.
Zuletzt trugen die beiden einen Streit über die Programmierung der Festivals ab 2023 teils öffentlich aus. "Irgendwann kommt der Punkt, da muss man entscheiden", sagte Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) vor Medien. Das von ihm angestrebte Sechs-Augen-Gespräch war bisher nicht zustande gekommen.
Jedes Jahr ein anderes "Weltspitzenorchester"
Dass Thielemann und Bachler nicht miteinander können, war seit langem klar. Salzburg hat sich nun also klar auf Bachler festgelegt und wird den Vertrag mit Thielemann nach Ostern 2022 - wenn Wagners "Lohengrin" gezeigt wird - genau so auslaufen lassen wie mit den Dresdnern. Und damit wird auch die Zeit der "Orchester in Residence" in Salzburg enden.
Bachler kündigte an, er wolle jedes Jahr ein anderes "Weltspitzenorchester" mit seinem Kernrepertoire an die Salzach holen, etwa ein russisches Orchester mit Tschaikowski, oder eines mit Puccini aus Italien. Haslauer stellte aber eines klar: "Wir haben uns nicht gegen Thielemann entschieden, sondern für die Osterfestspiele Salzburg."
Eine Erneuerung sei notwendig geworden, die wertmäßige Auslastung sei zuletzt nur mehr bei 79,6 Prozent gelegen und das Publikum älter geworden. Bachler präzisierte: Das Festival lebe noch immer in der Herbert-von-Karajan-Struktur von 1967, während sich rundherum viel verändert habe. Die zwei Aufführung der einzigen Oper seien etwa genau auf die 4.500 Karajan-Fans von damals zugeschnitten gewesen. Doch von den Fans dieser Zeit seien inzwischen nur mehr 1.000 übrig. Eine Reform sei notwendig. "Und Thielemann ist nicht der Erste, der einem bei Reformen einfällt", so der künftige Intendant.
Den zeitlichen Rahmen des Festivals von zehn Tagen möchte Bachler beibehalten, diese Tage aber "mit permanenten kulturellen Anreizen" von Vormittag bis tief in die Nacht füllen. Neben Oper, Konzert und Kammermusik will er deshalb auch Ballett, Kirchenkonzerte oder Jazz ins Programm aufnehmen, theoretisch seien auch die "Toten Hosen" bei den Osterfestspielen denkbar. Es gelte, neue Schichten für das Festival zu gewinnen.
Neben der Neukonzeptionierung soll Bachler auch wirtschaftlich einen Umschwung einleiten und vor allem im Bereich der Sponsoren für neue Einnahmen sorgen. Hier setzt er auch auf "Kleinsponsoren", das sind nach seinem Verständnis Geldgeber mit Beträgen von vielleicht 10.000 Euro. Damit könne man in Summe viel Geld aufbringen.
Die Osterfestspiele sind nach wie vor ein frei finanziertes Festival. Die Gesellschafter übernehmen zwar jedes Jahr eine Ausfallhaftung über insgesamt eine Million Euro, der Betrag wurde bisher aber noch nie zur Gänze ausgeschöpft. Eines war Bachler heute noch wichtig klarzustellen: "Es gab nie einen Kampf der Titanen. Denn erstens bin ich kein Titan, und zweitens haben wir nicht gekämpft."
Thielemann, der 2019 das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker dirigiert hat, genießt internationales Renommee, gilt aber auch als "Schwieriger" - nicht zuletzt dank seiner Verteidigung der Musik von Hans Pfitzner trotz dessen Verstrickung mit dem NS-Regime. 2004 kündigte Thielemann sein Engagement an der Deutschen Oper Berlin. Da seine Forderungen nach Erhöhung des Orchesteretats abgelehnt wurden, verließ der gebürtige Berliner das Haus nach sieben Jahren als musikalischer Leiter und wurde bereits im selben Jahr Generalmusikdirektor der Münchner Philharmoniker. Auch hier zeigte der Star seine streitbare Seite, legte sich 2009 mit der mStadt hinsichtlich der Kompetenzen seiner Position an und lehnte mschlussendlich eine Vertragsverlängerung ab.
Seit 2012 ist der nunmehr 60-Jährige Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden, seit 2015 auch Musikdirektor der Wagner Festspiele in seiner künstlerischen Wahlheimat Bayreuth.