Ein Blick zurück in die Kindheit, bei dem mir warm ums Herz wird? Natürlich, wie wohl bei den meisten, Weihnachten. Das war bei uns immer unglaublich schön, aber auch sehr aufregend. Weil meine Mutter nach einem turbulenten Tag im Geschäft erst spät und völlig erschöpft nach Hause kam. Aber da das Christkind zuvor schon tagelang gearbeitet hatte, hat stets alles gestimmt an diesem schönsten Abend des Jahres.
Meine Kindheit war durch zwei Sachen gekennzeichnet: durch Liebe und Leistung.
Ich wurde sehr liebevoll erzogen. So wie meine Geschwister auch: Mein Bruder, heute Banker, ist drei Jahre jünger als ich. Meine Schwester, neun Jahre jünger, lebt jetzt als Architektin in Amerika. Den Eltern ist es stets sehr gut gelungen, ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu schaffen. Das äußert sich unter anderem darin, dass wir Geschwister bis heute kaum Konflikte kennen. Auch Prüfsteine wie Erbschaftssachen haben wir gut überstanden. Und wir fahren sogar alle zwei Jahre gemeinsam auf Urlaub – nur wir drei, ohne Partner. Im Vorjahr gönnten wir uns New Mexico, Santa Fe.
Leistung war bei uns daheim ein Wert, kein auferlegter Druck. Es war die Aufforderung, Verantwortung und Eigenverantwortung zu übernehmen. Da setzten meine Eltern ganz klar Vertrauen in mich: Sie brachten ihre Leistung im Beruf und ich die meine ganz selbstverständlich in der Schule. Sie wären nie auf die Idee gekommen, nachzufragen, wie ich als Schülerin vorankäme oder wie lang mein Studium dauern würde.
Schon mit 14 habe ich, wenn meine Mutter im Geschäft und unsere Haushälterin auf Urlaub war, die ganze Hausarbeit übernommen. Kochen, putzen, bügeln. Im Rückblick waren die von mir so früh eingeforderten Pflichten damals vielleicht etwas zu stark im Vergleich zu den Rechten, aber belastet hat mich das nie. Im Gegenteil: Das hat mein Leben sehr geprägt.
Mein Stiefvater war Sägewerksbesitzer in Niedernfritz im Pongau und hatte bis zu 100 Mitarbeiter. Es war eine schwierige Branche, 90 Prozent der Ware gingen in den Export, vor allem nach Italien. Weil er oft dorthin fahren musste, um zu verhandeln und bei säumigen Zahlern Geld einzutreiben, begann er Italienisch zu lernen. Und ich mit ihm, bei einer Diplomatengattin. Die las mit uns gleich „I promessi sposi“ – „Die Brautleute“ – von Alessandro Manzoni, einen Roman aus der Mitte des 19. Jahrhunderts und ganz wesentlich für die moderne italienische Prosa, aber zum Geldeintreiben halt nur bedingt nützlich (schmunzelt). Also hat mein Stiefvater bald wieder aufgehört zu lernen, ich aber habe mit Begeisterung weitergemacht.
Dass ich die Tochter von Gerd Bacher bin, habe ich erst als 21-Jährige erfahren. Meine Eltern haben das bewusst von mir ferngehalten. Wohl auch, weil der Stadler-Vater eifersüchtig auf seinen Vorgänger war. Und, wie ich später hörte, war die Familie Stadler nicht gerade glücklich, dass er eine geschiedene Frau mit Kind heiratet. Vor allem aber glaubten meine Eltern, es sei für das Familienleben besser, wenn meine Geschwister nicht wüssten, dass ich nur ihre Halbschwester bin. In meinem Fall ist das gottlob gut ausgegangen, weil ich den Stadler-Vater geliebt habe und er mich. Einem Kind seine Herkunft zu verheimlichen, ist trotzdem der völlig falsche Weg.
Und in Gerd Bacher habe ich mich beim ersten Kennenlernen verliebt. Trotzdem war damals, anno 1969, mit 21, die Enthüllung ein schwerer Schlag. Ich habe mich weniger mit der Studentenbewegung der 68er befasst als vielmehr mit meinem persönlichen Schicksal, habe ein Jahr lang gegrübelt, Briefe geschrieben, mich nur mit mir selbst beschäftigt – heute würde man sagen, um meine Identität gerungen.
Mein Vater, der vom Karikaturisten Gustav Peichl als „Tiger“ an der ORF-Spitze gezeichnet wurde und diesen Titel zum Markennamen machte, war daheim nicht anders als im Beruf, auch da zeigte er Krallen. Mit seinen beiden Töchtern aus zweiter Ehe, Gabriele und Christine, habe ich eine sehr gute Beziehung. Er hat uns alle drei, wie es seine Art war, sehr gefordert und manchmal gegeneinander ausgespielt. Im Nachhinein gesehen, ist ihm und mir wahrscheinlich sehr viel erspart geblieben, dass wir uns erst in meinem 21. Lebensjahr kennengelernt haben (lacht).
Meine jüngste Schwester hat einmal gesagt: Du bist die „Tigerischste“ von uns dreien. Aber ich verrate Ihnen jetzt etwas: Mein Vater liebte den Kampf und lief im Konflikt zur Hochform auf. Ich hingegen bin in der Harmonie am besten. Aber weil die meisten glauben, als Tigerkind würde ich dem Vater auch hierin ähneln, erspart mir das so manchen Kampf.
Meine bunte Familiengeschichte ist eine große Bereicherung, und ich habe viel aus ihr gelernt. Es ist mir zum Beispiel sehr wichtig, Menschen zusammenzubringen und zusammenzuhalten, ob im Beruf oder privat.
Mein früherer Mann, der Journalist Peter Rabl, hat Kinder aus erster Ehe, und wenn es passt, treffen sich all die Seinen und die Meinen, so zuletzt in den Weihnachtsferien, da waren insgesamt 15 Leute bei mir am Tisch. Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl rührt aus meiner eigenen Kindheit. Ich habe immer danach getrachtet zu vermitteln. Ich brauche Harmonie. Mich belasten Spannungen, ich spüre sie auch sofort. Mein Bacher-Vater sagte in seiner Rede bei meiner Hochzeit: „Und wenn ihr noch so gestritten habt: Schlafts nie ein, ohne euch vorher noch ein Bussl gegeben zu haben!“ Das habe ich mir auch fast immer zu Herzen genommen.
Was ich selbst daheim gelernt habe, gebe ich gern an meine Söhne Sebastian und Maximilian weiter, die jetzt 41 und 40 sind: Familiensinn, das Liebevolle, das Interesse am anderen, die positive Ausprägung des Sich-verantwortlich-Fühlens, Leistung als Selbstverantwortung – beide waren relativ früh unabhängig. Und was für den Umgang in meiner Familie gilt, zu der auch die unwiderstehlichen Zwillinge Anna und Paul (8) zählen, gilt für mich gleichermaßen als Unternehmerin und Festspielpräsidentin: Konflikte nie lange schwelen lassen, sie werden dadurch immer nur größer. Trotzdem, man muss auch nicht alles aussprechen. Ich sage oft scherzhalber: Ich schreibe einmal ein Buch gegen Sigmund Freud, weil mein ganzer Erfolg nur auf Verdrängung beruht. Verdrängen darf man auch: Denn wenn die Worte einmal das Gehege der Zähne verlassen haben, dann ist es schwer, sie wieder zurückzuholen.
Michael Tschida