Die „Marienvesper“ von Monte Verdi. „Die vier Jahreszeiten“ von Joseph Haydn. Die Oper „Elektra“ von Richard Strauß ... schon oft gesehen, gelesen, gehört.
Aber nein! Verdi komponierte zwar auch Sakrales, die himmlische „Vespro della Beata Vergine“ stammt allerdings von Claudio Monteverdi. Haydn schuf das Oratorium „Die Jahreszeiten“, nicht zu verwechseln mit Vivaldis Violinkonzertzyklus „Le quattro stagioni“/„Die vier Jahreszeiten“. Und den großen Münchner Opernkomponisten Richard Strauss schreibt man seit Jahr und Tag mit Doppel-s, im Gegensatz zu den Mitgliedern der berühmten Wiener Strauß-Dynastie.
Oder etwa doch nicht? Schon seit Langem gibt es Diskussionen um die „richtigen“ Namen von Johann Strauß Vater (der mit dem „Radetzkymarsch“), Johann Strauß Sohn (der „An der schönen blauen Donau“) & Co. Beide unterzeichneten mit langem, doppelschleifigem s (dem f ähnlich) und anschließendem runden s. Das war damals eine Alternative zum bereits gängigen scharfen ß in gewissen Druckerschriftarten wie der Fraktur – ß als eine sogenannte Ligatur, also Verschmelzung zweier Buchstaben.
Aber zur Namensverwirrung trug noch viel mehr bei: Auf Partituren oder Plakaten tauchten schon zu Zeiten der Musikerfamilie oft die Varianten Strauß und Strauss auf. Zudem kannte unsere Schrift das ß in Großbuchstaben bis vor eineinhalb Jahren nur als Doppel-S, also STRAUSS. Das ß gibt es ja nur im deutschen Alphabet, Schweizer und Liechtensteiner verwenden es gar nicht. Und nicht erst seit der Digitalisierung bedienen sich Labels, Vereine, Verlage und Gesellschaften, die sich in aller Welt um das Erbe der gefeierten Komponisten und Kapellmeister der Habsburgerzeit kümmern, und inzwischen auch Wikipedia der internationalen Lesbarkeit wegen der Schreibweise Strauss.
Auf der Website des Wiener Instituts für Strauss-Forschung verficht der Jurist Eduard Strauss, Urenkel des ebenfalls komponierenden Bruders des „Walzerkönigs“ Johann Strauß, mit nur teilweise nachvollziehbaren Argumenten die Schreibweise Strauss und appelliert mit Vehemenz: „Schluss (nicht Schluß) mit Strauß!“
Um die Namensgebung werden vermutlich noch viele Sträuße ausgefochten. Die meisten Veranstalter in unseren Breiten, so heute auch wieder die Wiener Philharmoniker bei ihrem Neujahrskonzert, wählen weiterhin die tradierte Form. Und auch wir bleiben – ob Johann I/II/III, Josef oder Eduard – unter Donner und Blitz bei „Strauß“.
Michael Tschida