Sie sind ausgewiesener Wagner-Spezialist, ist er auch die große musikalische Liebe Ihres Lebens?
MAREK JANOWSKI: Mir wurde dieses Repertoire halt häufig angeboten. Das Zentrum, an dem sich meiner Meinung nach alles andere messen muss, das ist Beethoven. Es gibt eine Linie von Beethovens Symphonien zur Musikdramatik von Weber und Wagner. Deshalb passt das Programm gut zusammen.

Auf dem neben Richard Wagner auch Beethovens 3. Symphonie, die „Eroica“ steht.
Die „Eroica“ ist der „Sacre du Printemps“ des 19. Jahrhunderts, eine Initialzündung. Beethoven hat ja alles aufgenommen, was vor ihm passiert ist, hat das in einer Art transformiert, die phänomenal ist. Seine letzten Streichquartette weisen ja schon auf Schönberg hin.

Für die Komponisten nach ihm war Beethoven der erste Bezugspunkt. Das ging bis zu Richard Strauss.
Für Wagner garantiert, bei Strauss bin ich mir nicht sicher, ob er sich in diese Tradition gestellt hätte. Gegen Ende seines Lebens, nach dem 2. Weltkrieg, hat er zu Wilhelm Furtwängler gesagt: „Im Vergleich zu Wagner bin ich nur ein kleiner Epigone.“ Und das vom selbstbewussten Strauss!

Das Beethoven-Bild hat sich durch die historische Aufführungspraxis verändert. Die Tempi sind heute etwa viel schneller. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Beethovens Metronom-Angaben bei den Symphonien zeigen seine Vorstellungen, zum Beispiel von einem „Allegro“. Die sind schneller als das, was man traditionell gespielt hat. Ich würde nicht sagen, dass ich seine Angaben auf die Sekunde exakt umsetzte, aber sie geben einen wichtigen Hinweis.

Ihre Interpretationen werden häufig mit Worten wie „Handwerk“, „Sorgfalt“ und „Detailreichtum“ bedacht. Man stellt Sie oft in die Kapellmeister-Tradition. Stört Sie das?
Überhaupt nicht. Das Wort hat heute leider den Beiklang von etwas Fantasielosem. Aber das Kapellmeisterliche ist die Basis all dessen, auf dem man gestaltet. Man muss die Ordnung herstellen, ohne die wäre die künstlerische Gestaltung Publikumsbetrug. Die Basis muss in Ordnung sein, aber man darf nicht dort haltmachen.

Sie haben Ihr Debüt in Bayreuth spät gegeben. Das hatte wohl mit Ihrer Skepsis gegenüber dem Regietheater zu tun?
Das ist ja nicht einmal ein Regietheater, sondern ein Regisseurstheater. Ich habe diese Entwicklung lange verfolgt und dachte, irgendwann hängt das dem Publikum zum Hals raus. In den Neunzigern beschloss ich, Oper nur mehr konzertant zu dirigieren.

Und dann kam die Einladung zum „Ring“ 2016, ausgerechnet in der umstrittenen Inszenierung von Frank Castorf.
Da dachte ich mir: „Egal, was auf der Bühne passiert, ich mach das.“ 2015 hab ich die Proben angeschaut und wollte wieder absagen. Die Korrepetitoren haben mich davon abgehalten. Aber dieser Ausflug zur Oper war für mich eine Ausnahme. Ein Ausrutscher! (lacht)

Lange wurde behauptet, dass es mit dem Wagner-Gesang bergab gehe. Aktuell gibt es aber eine Reihe von Sängern, die ganz fabelhaft sind.
Ich wäre da sehr vorsichtig. Solche Krisen können die Pseudo-Kulturredakteure auch herbeischreiben. Die Tenorpartien Siegfried, Tristan, Tannhäuser sind grenzwertig konzipiert. Da hat es immer nur ein paar gegeben, die das konnten. Beim Tristan müssen wir froh sein, wenn der Sänger überhaupt bis zum Ende kommt!