Aufführungen von Giuseppe Verdis „Il Trovatore“ wurden hierzulande zuletzt von Anna Netrebko geprägt: Bei den Salzburger Festspielen 2014 drückte die Starsopranistin der Inszenierung von Alvis Hermanis, der das blutige Ränkespiel bildreich in eine Pinakothek verlegt hatte, stimmlich und darstellerisch den Stempel auf. Detto jener Produktion, die nach 16 Jahren Werkpause im Februar in der Wiener Staatsoper Premiere gefeiert hatte und noch im September gespielt wurde: Regisseur Daniele Abbado, Sohn des 2014 verstorbenen Dirigenten Claudio Abbado, verlegte das Dramma lirico mit zähen Ideen und Umsetzungen in den Spanischen Bürgerkrieg – auch nur Mittelmaß nach dem Flop, den der ungarische Filmregisseur István Szabó vor fast 25 Jahren im Haus am Ring geliefert hatte.
Am „Troubadour“ sind seit der Uraufführung 1853 am Teatro Apollo in Rom nicht wenige Regisseure gescheitert, was wohl am so komplizierten wie unterbelichteten Libretto von Salvadore Cammarano liegt, der schwer mit dem Sujet aus dem Schauspiel „El trovador“ von Antonio García Gutiérrez rang und noch vor der Fertigstellung verstarb.
Es wird also spannend, wie das Team um Regisseur und Bühnenbildner Ben Baur bei der Premiere am Samstag (30. September) an der Oper Graz die Konfrontation des Troubadours Manrico und des Grafen Luna schildern wird, die im 15. Jahrhundert auf unterschiedlichen Seiten kämpfen, mit Leonora dieselbe Frau lieben und durch ein düsteres Geheimnis miteinander verbunden sind.
„Musiktheater ist lebendiges Geschichtenerzählen und im Glücksfall ein großer, unbändiger Rausch“, sagt der deutsche Regisseur Baur, der hier bereits im Vorjahr Charles Gounods „Roméo et Juliette“ erfolgreich in Szene setzte, indem er die auserzählte Handlung brach und das Hohelied der Liebe mit vifen Kunstgriffen in eine Liturgie des Todes verwandelte.
Die ungarische Sopranistin Lana Kos, der italienische Tenor Stefano Secco, der russische Bariton Rodion Pogossov in den Hauptrollen und die kanadische Mezzosopranistin Nora Sourouzian als Zigeunerin Azucena: Mit diesem Debütantenquartett stellen sich nun Ben Baur und Dirigent Andrea Sanguineti der Herausforderung, das dunkle, verworrene, mit spätmittelalterlich spanischer Historie beladene Schwesterwerk der „Traviata“ zu stemmen. Ein Rezept, wie man es zumindest musikalisch richtig macht, stellte übrigens der große Enrico Caruso aus: „Eine Aufführung des ,Trovatore‘ ist ganz einfach: Man braucht nur die vier besten Sänger der Welt!“
"D'amor sull'ali rosee"
Arie der Leonora (Anna Netrebko in einer Aufnahme 2015 von der Metropolitan Opera New York)
Michael Tschida