Sie sind erst 26 und haben bereits eine unglaubliche Karriere hinter sich. Unwillkürlich muss einem da die Bezeichnung „Wunderkind“ einfallen. Was halten Sie davon?

DANIIL TRIFONOV: Im Grunde blieb mir gar keine andere Berufslaufbahn übrig: Meine Mutter ist Musikwissenschaftlerin, der Vater Komponist. Ich war fünf, als ich mit dem Klavier begann. Und ich hatte auch großes Interesse an der technischen Seite der Musik, lernte etwa, wie Synthesizer funktionieren.

Das viele Üben machte Spaß?

Musste Spaß machen, weil es mich meinem Ziel näher brachte: um die Welt zu reisen. Mit acht haben mich die Eltern ans renommierte Gnessin-Institut geschickt. Das bedeutete für mich vier bis fünf Mal pro Woche eine eineinhalb Stunden lange Tour mit Bus und U-Bahn, denn wir wohnten in einem Vorort von Moskau.


Wann traten Sie erstmals in einem Konzert auf?


Mit acht. Dieser Tag bleibt mir für immer unvergesslich, weil ich während des Konzerts einen Milchzahn verlor.


Sie komponieren auch selbst. Welche Komponisten haben als erste Ihr Herz berührt?


Mozart, Schumann, Chopin und mein Landsmann Skrjabin.


Welche Bedeutung hatte dabei Mozart?


Seine ununterbrochene Flut an Fantasie. In seiner Musik gibt es keine überflüssige Note.


Für die Gesamteinspielung von Franz Liszts Etüden, an denen sich alle wichtigen Pianisten messen, brauchten Sie nur fünf Tage. Was fasziniert Sie an Liszt?


Dass er nicht nur ein bedeutender Komponist, sondern überhaupt ein großer Künstler war. Ein innovativer Geist, dessen symphonische Kreationen großartige Dichtungen sind. Er schuf Farben und Harmonien, die man bis dahin nie so gehört hatte. Ein Mann, der immer auf der Suche war. Es ist eine Lebensaufgabe, all seine genialen Facetten zu entdecken.


„Sein Anschlag hat Zartheit und auch das dämonische Element. Ich habe so etwas noch nie gehört“, schwärmte niemand Geringerer als Martha Argerich, eine der größten Pianistinnen, von Ihnen. Wie gefällt Ihnen das?


Zuallererst ist es eine große Ehre. Und gleichzeitig eine Aufforderung, nie mit dem Lernen aufzuhören.


Wie lernen Sie am besten?


Indem ich das, was ich spiele, regelmäßig aufnehme und abhöre.


Als Komponist erlebten Sie im April 2014 einen Höhepunkt, als Sie in Cleveland Ihr erstes Klavierkonzert aufführten. Wie schaffen Sie es zeitmäßig, das Spielen und Komponieren unter einen Hut zu bringen?


Das ist sehr schwierig. Vor allem, die Zeit für die Orchestrierung zu finden.


Haben Sie in Cleveland auch Franz Welser-Möst, mit dem Sie ja Ende 2015 beim Nobelpreis-Konzert in Stockholm musiziert haben, am Werk gesehen?


Ja, einige Konzerte. Ich finde, er hat immer wieder einzigartige Ideen, und oft hat mir der zweite Teil seiner Auftritte besonders gut gefallen.


Beschäftigen Sie sich mit Ihrer Pianistenkonkurrenz?


Nicht, indem ich mir ihre Aufnahmen anhöre – ich will sie live erleben. Dazu hat man zum Beispiel bei Festivals wie Grafenegg, wo ich im September gastiere, gute Gelegenheit. Lang Lang etwa habe ich bis heute noch nicht live erlebt.


Hören Sie eigentlich auch nicht-klassische Musik?


Von den britischen Progressive-Rockern King Crimson halte ich sehr viel.


Was unternehmen Sie, wenn Sie Klavierpause machen?


Die Eltern besuchen, Freunde treffen und Mountainhiking, also Bergwandern. Mountainbiking hingegen ist mir nicht erlaubt. Von der Versicherung.


Noch andere Interessen?


Ich bin ein Fan des FC Barcelona. In meiner Schulzeit habe ich auch gerne selbst gespielt. Seit fünf Jahren kicke ich aber nicht mehr.

Cecilia Bartoli als italienischer Ritter Ariodante
Cecilia Bartoli als italienischer Ritter Ariodante © SF/RITTERSHAUS (HF)